Am Samstag leben in der Stuttgarter Schleyerhalle die Neunziger noch einmal auf – beim Konzert der New Kids on the Block und Backstreet Boys.

Stuttgart - Vor zwanzig Jahren haben sie Tausende von Mädchenherzen gebrochen. Jetzt sind sie wieder da, und zwar doppelt: die New Kids on the Block und die Backstreet Boys, zwei der erfolgreichsten Boygroups der USA, stehen als NKOTBSB für eine einzige Tour zusammen auf der Bühne. Natürlich sind die Jungs erwachsen geworden – wie ihre Fans. Aber die werden am Samstagabend in der Schleyerhalle schon sehen, dass die Reflexe von damals – Jubeln, Kreischen, in Ohnmacht fallen – noch einigermaßen funktionieren. StZ-Autoren erinnern sich an ihre Lieblinge der Neunziger. Jordan Knightap Jordan, der Schönling Im Freibadsommer 1990 gehörte nur dazu, wer entweder NKOTB anhimmelte oder vom Fünfmeterturm sprang. Oder beides. Alle in unserer Clique taten es. Außer Sylvi. Die liebte zwar Jordan Knight, den Posterboy und heimlichen Frontmann der New Kids, traute sich aber nicht mal vom Dreier. Sie verweigerte sich den ganzen Sommer lang. Bis zu jenem kühlen Tag im September, kurz vor Saisonende. Da kletterte sie plötzlich auf den Turm, stand eine Ewigkeit da oben – und ließ sich auf einmal ins Wasser plumpsen. Dann schwamm sie an den Beckenrand und verkündete strahlend: „Wisst ihr, warum ich das gemacht hab? Ich hab mir vorgestellt, der Jordan steht da unten und empfängt mich mit ausgebreiteten Armen.“

 

Howie Dorough 7aktuell.de/Oskar Eyb Howie, der Philosoph Im Juni 1996 durfte ich über eines der ersten BSB-Konzerte in Deutschland schreiben: 3500 Mädchen kreischten in einer Waiblinger Sporthalle, 450 davon haben vor lauter Euphorie so viel Sauerstoff eingeatmet, dass sie von Sanitätern versorgt werden mussten. Zwölf Jahre später durfte ich Howie Dorough interviewen. Ich fragte ihn also, wie er mit der Bewunderung umging: „Letzten Endes sind wir alle nur Menschen“, antwortete er. Boah, dachte ich, ganz schön schlau. Dann sagte er: „Wir sind mit einem gottgegebenen Talent gesegnet und hatten die Gelegenheit, erfolgreich zu werden und viele Probleme des Lebens hinter uns zu lassen.“ Boah, dachte ich, das will ich auch. Schließlich erklärte er: „Wir machen einfach weiter, weil wir lieben, was wir tun.“ Endlich: ein glücklicher Philosoph!

Donnie Wahlbergdpa Donnie, der Coole Er war der absolut Coolste der New Kids, und das lag nicht nur an seinem arroganten Rapperblick. Donnie Wahlberg, heute 42, trug ein Piratentuch um die Stirn, eine fette Peace-Kette über der Brust und Löcher in den Jeans. Das musste ich auch haben! Also zerriss ich alle meine 160-Mark-Levi’s – egal, wie viel Ärger das gab. Donnie hatte aber auch einen kleinen, hübschen Bruder namens Mark. Den hat er mit seinem vielen Ruhm und Geld nicht nur aus der Gosse gerettet, sondern auch ins Showgeschäft geholt. Aus Mark wurde Marky Mark, der Mann mit den „Good Vibrations“, und das berühmteste Unterhosenmodel aller Zeiten für Calvin Klein. 1996 wurde Donnie Hollywoodschauspieler – wie der tolle Mark, nur halb so erfolgreich.

Danny Woodap Danny, der Charakterkopf Das Schöne an Danny Wood von den New Kids on the Block ist, dass er ins Ensemble der Schönlinge nie wirklich reinpasste. Aus dem Charakterkopf der Truppe hätte durchaus ein Rocker der Marke Bruce Springsteen werden können. Oder ein linker Schurke in einem dieser amerikanischen Krimis, in denen 20 Autos durch die Luft fliegen und Hubschrauber explodieren. Der 42 Jahre alte Sänger aus Boston, der behütet aufwuchs und dem der frühe Erfolg am wenigsten zu Kopf gestiegen war, ist trotzdem ein bodenständiger Vertreter seiner Zunft. Er kocht und backt gerne – sieh an, sieh an. Doch seine Begründung lässt den Schluss zu, dass an Danny Wood tatsächlich ein wunderbares Raubein verloren gegangen ist: „Wenn du dich scheiße ernährst, dann siehst du auch scheiße aus.“

Nick Carterap Nick, das Schwiegersöhnchen 1996, das war der Sommer des Schreckens: die beste Freundin unsterblich in den netten Backstreet Boy Nick Carter verliebt, man selbst noch picklig und unsicher und dann ständig dieses Gedudel aus dem CD-Player: „I’ll never break your Heart“ – stundenlang musste ich mir das anhören. Steffis Zimmer: mit BSB-Postern tapeziert, von überall her strahlt einen Nicks Bubigesicht an, gruselig. Und dann baut Steffi sich auch noch neben einem Poster-Nick auf, streicht ihm zärtlich über das Kinn und fragt mit verträumtem Blick: „Sag mal, passen wir nicht total gut zusammen?“

Jonathan Knightap Jon, der Schüchterne Es soll ja Leute geben, die beim Karaoke-Spiel Singstar abräumen, wenn sie bei „Step by Step“ ans Mikro müssen. Das sind die gleichen Leute, die im Jahr 2012 „Step by Step“ auf ihrem iPod haben. Leute wie ich. Das Lied, veröffentlicht 1990, hat die New Kids unsterblich gemacht. Den entscheidenden Anteil daran hat Jonathan Knight, Jordans immer ziemlich ruhiger älterer Bruder. Er sang die beste Zeile des besten Parts – den Vers, auf den der ganze Song hingeschrieben ist und in dem Moment explodiert, wenn Jon ansetzt: „Step five: don’t you know that the Time has arrived.“ Nicht unbedingt der intelligenteste Satz der Popgeschichte, aber wer hat sich damals schon für Inhalte interessiert?

AJ McLean7aktuell.de/Oskar Eyb AJ McLean, der Bad Boy Dunkle Kleidung, tief ins Gesicht gezogene Mütze, nachdenklicher Blick: AJ McLean ist der Bad Boy der Backstreet Boys, Welten entfernt von der plattgebürsteten Blondie-Schmalzlocke eines Nick Carter. Doch die Drogen- und Alkoholexzesse dieses „most rehabbed Stars“, wie ihn einschlägige amerikanische Magazine nennen, werfen Fragen auf. Auch Boygroups haben Sorgen! Es ist der Ruhm. Nicht jeder wird damit fertig, die Probleme sind komplex, die dunklen Augen dieses Bad Boy geheimnisvoll. Ausgeglichen wird die fehlende Schmalzfrisur bei AJ, inzwischen 34, übrigens durch ein kleines Bartkunstwerk rund ums Kinn – damals wie heute. Schauen Sie mal genau hin.

Joey McIntyreap Joey, das Nesthäkchen Schafft es „Hangin’ tough“ wieder auf Platz eins? Diese Frage war 1989 wichtiger als die nach dem coolsten T-Shirt. Die News Kids stiegen gerade zu den bestbezahlten Entertainern ihrer Zeit auf, und auf SWF3 gab es jeden Sonntagabend kurz vor 22 Uhr die Antwort. So spät musste ich natürlich längst im Bett sein. Aber: ich besaß ein handygroßes Miniradio mit In-Ear-Kopfhörern. Also konnte ich die Charts doch hören, heimlich unter der Bettdecke. Wie aufregend! Und so schlief ich jeden Sonntag mit „Hangin’ tough“ ein, dem Lied mit der revolutionären Trillerpfeife, die Stimme von Joey McIntyre auf den Ohren, dem Kleinsten und Allersüßesten der New Kids, und mit einem Bild von ihm im Kopf, wie er im Video den New-Kids-Dance tanzt. Und montags ging ich beseelt zur Schule.

Brian Litrellap Brian, der Clown Eigentlich war ich ja in Kevin Richardson verknallt, den Großen mit der Mittelscheitel-Topffrisur und den blauen Augen. Da Kevin aber 2006 ausgestiegen ist, muss jetzt Brian Litrell herhalten, für die Insider: B-Rock. Für den schwärmte auch meine beste Freundin. B-Rock, heute 37 Jahre alt, war der, der immerzu dämliche Grimassen in die Kamera schnitt – und meine Freundin hat sie alle (!) auf Video aufgenommen: „Guck mal, wie süß!“ Das Singen hat er in einem Kirchenchor gelernt. 2006 brachte er ein Soloalbum heraus, aber Schlagzeilen machte er 2009 damit, dass er sich mit der Schweinegrippe infizierte.