Nicht nur Telefone von Promis soll „News of the World“ angezapft haben. Sogar vor dem Handy eines Mordopfers machten die Reporter nicht Halt.

Korrespondenten: Peter Nonnenmacher (non)

Stuttgart - Die Lauschaktionen des britischen Boulevardblatts "News of the World" haben das Medienimperium von Rupert Murdoch schwer erschüttert. Zudem hat der Skandal ernsthafte Zweifel an der Integrität Scotland Yards genährt. Mitarbeiter von "News of the World" haben sich in den vergangenen zehn Jahren wohl Zugang zu den Mailboxen Tausender von Briten verschafft. Dabei waren nicht nur Handys von Prominenten betroffen. Das Blatt ließ durch Privatdetektive sogar die Telefone ermordeter Kinder und ihrer Angehörigen anzapfen, um an exklusive Informationen zu kommen.

 

Beim Mobiltelefon des 13-jährigen Mordopfers Milly Dowler hatte der betreffende "Datendieb" sogar Nachrichten gelöscht, um für neue Nachrichten Platz zu schaffen. Auch die Telefone der Eltern zweier ermordeter Kinder aus Soham, der kleinen Holly Wells und ihrer Freundin Jessica Chapman, sollen abgehört worden sein. Es besteht außerdem der Verdacht, dass die Eltern Madeleine McCanns, des in Portugal verschwundenen Mädchens, belauscht wurden. Ebenfalls abgehört wurden von "News of the World", laut Polizeiangaben, Mobiltelefone und Standleitungen von Angehörigen der Londoner Terroropfer vom 7. Juli 2005.

Verlust von Anzeigenaufträgen

Diverse Wirtschaftskonzerne beginnen derweil, die Murdochs an der Anzeigenfront unter Druck zu setzen. Der Autoriese Ford hat "News of the World" bereits alle Werbung entzogen. Auch die Mobiltelefon-Konzerne T-Mobile und Orange, die im vorigen Jahr allein Anzeigen im Wert von 1,5 Millionen Pfund in der Zeitung platzierten, haben dem Blatt einen Boykott angedroht.

Die ehemaligen Chefredakteure des Blattes, Rebekah Brooks und Andy Coulson, streiten ab, etwas von Abhörpraktiken gewusst zu haben. Coulson, bis Januar dieses Jahres noch Pressesprecher der Regierung Cameron, wurde gestern allerdings bereits beschuldigt, als Redaktionsleiter Zahlungen an Polizeibeamte bewilligt zu haben. Entsprechende Zahlungen - und ihre Annahme - wären illegal. Polizeiinterne Untersuchungen sollen dem Korruptionsverdacht nun auf den Grund gehen. Der BBC liegen Informationen vor, denen zufolge es sich um Zahlungen "in Höhe von Zehntausenden von Pfund" gehandelt hat.

Öffentliche Aufklärung angekündigt

Im Parlament gelobte Premierminister David Cameron eine öffentliche Untersuchung der Affäre - sobald die Polizeiermittlungen abgeschlossen und ausgewertet seien. Einzelne Abgeordnete forderten weiter gehende Maßnahmen. Labours Medienexperte Tom Watson verlangte den sofortigen Rücktritt und sogar eine mögliche Strafverfolgung des Murdoch-Sohnes James, der in letzter Instanz die Gelder für die illegalen Aktionen bewilligt habe.

Für Rupert Murdoch, der sich in dieser Woche von der Regierung in London grünes Licht für den Kauf des Satellitensenders BSkyB erhoffte, bedeutet die Affäre eine gefährliche Vertrauenskrise.

Die BSkyB-Genehmigung will Tory-Kultusminister Jeremy Hunt dem Verleger zwar immer noch erteilen, da die Regierung keine Beeinträchtigung der britischen Medienvielfalt durch Murdochs Übernahme erkennen kann. Fast alle anderen Verlage befürchten aber, dass Murdoch so zur dominierenden Kraft im Mediensektor wird. Die Murdoch-Kritiker hoffen, dass in letzter Minute noch die Medienaufsichtsbehörde Ofcom Einspruch gegen die Ausdehnung des Murdoch-Empires einlegt. Der Präsident der Liberaldemokraten, Tim Farron, äußerte bereits Zweifel daran, dass Besitzer und Topmanager des Murdoch-Konzerns geeignet seien, den Bezahlsender BSkyB zu übernehmen.