Nicolas Party hat das Burda-Museum in Baden-Baden mit riesigen Untergangsszenarien bemalt. Die dekorativen Bilder von „When Tomorrow Comes“ werden die Massen begeistern.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Das große Geld? Das kann Nicolas Party nicht so einfach machen. Wenn ein Künstler bekannt wird, klopfen normalerweise schon bald Sammler an, um Werke anzukaufen. Nicht bei dem Schweizer Maler, der derzeit einen großen Auftritt im Museum Frieder Burda in Baden-Baden hat. Wenn die Ausstellung im Februar endet, werden die Handwerker anrücken und einen Großteil der Bilder des 43-Jährigen einfach überstreichen. Kunst Adieu!

 

Jeder Baum wurde von Hand auf die Wand gemalt – mit Kreide

In den vergangenen Wochen hat Nicolas Party riesige Landschaften direkt auf die Wände des Burda-Museums gemalt. Über mehrere Stockwerke wächst ein Baum. Hier schießt ein Wasserfall die Wand hinab – und im großen Saal scheint eine Feuersbrunst gelodert zu haben, sodass von dem weitläufigen Wald kaum mehr übrig geblieben ist als eine traurige Schar von Baumskeletten. Nicolas Party hat jeden einzelnen Stamm mit Pastellkreide auf die weiße Wand gebracht.

Nicolas Party hat mit Graffiti auf Zügen begonnen

„When Tomorrow Comes“, der Titel der Ausstellung, kann bedrohlich wie hoffnungsvoll verstanden werden. Das Thema des Künstlers ist die Natur. Party ist in einem Winzerdorf in der Nähe von Lausanne groß geworden zwischen Wäldern, Wasserfällen und Seen. Das hat seine Nähe und Liebe zur Natur geweckt. Bevor er in Lausanne und Glasgow Kunst studierte, war er als Graffiti-Sprayer unterwegs und stolz, wenn seine Bilder auf Zügen durch die Stadt fuhren. Das hat seinen Blick für große Flächen geschärft, weshalb seine Landschaftsbilder im Burda-Museum das Publikum nun allein wegen ihrer schieren Größe begeistern werden.

Die Idee der Apokalypse ist alt

Die Waldbrände in Kalifornien vor zwei Jahren standen Pate beim zentralen Bild bei Burda. Immer wieder spielt Nicolas Party in seinen Landschaftsbildern auf die Umweltzerstörung an, die aus seiner Sicht aber kein neues Phänomen ist, sondern eine „Konstante, von der Arche Noah über verschiedene apokalyptische Erzählungen in der Bibel bis hin zu den Atombombenabwürfen im Zweiten Weltkrieg“, wie er sagt. Aber auch wenn Nicolas Party Infernos und Katastrophen ahnen lässt, beunruhigen seine Niedergangsszenarien keineswegs, sondern wirken fast majestätisch und merkwürdig leblos. Der Mensch ist hier vollständig abwesend, grad so, als sei er selbst Opfer dieses von ihm mitverursachten ökologischen Gaus geworden.

Die Katastrophe ist sinnlich und schön

Die an naive Malerei erinnernden Motive lassen die Betrachtenden aber letztlich im Ungewissen. Die Steine neben dem Wasserfall sind unnatürlich grün, als seien sie von Moos überzogen. Der mehrere Meter hohe Baum, der sich über zwei Stockwerke des Museums zieht, trägt wolkiges Blau anstelle von Blättern, was ungute Assoziationen an Mutationen oder Chemieunfälle weckt. Und doch wollen diese Katastrophenszenarien freundlich-fröhliche Sinnenreize liefern.

Tiefgründig – oder doch nur banal?

Bäume, meint der 43-Jährige, seien wichtige Elemente des menschlichen Lebens, weshalb Kinder auch meist als erstes Bäume zeichnen würden. Ein Gedanke, der wie so vieles in seinem Werk tiefgründig und grundlegend wirkt – zugleich aber vollständig banal ist. Auch die grundsätzliche Frage, die das Werk durchzieht, ist so abgedroschen wie philosophisch: Ist der Mensch Teil der Natur oder steht er zerstörerisch neben ihr?

Vieles in dieser Ausstellung setzt auf Ambivalenz. So zeigt Party neben den riesigen Landschaften auch kleine Altäre – Porträts mit Klappflügeln. Um zu signalisieren, dass er in der Kunstgeschichte zuhause ist, zitiert Party hier die Feinmalerei der Renaissance ebenso wie die Neue Sachlichkeit. Die Figuren wirken wie aus der Zeit gefallen und alterslos, das Gesicht grau, die Haare orangefarben – bloß warum?

Nicolas Party bewegt sich zwischen politischer Aktualität und Kitsch

Auf kleinen Bildchen entdeckt man schließlich auch noch Dinosaurier, die nächtens im Wasser stehen und vom hellen Vollmond beschienen werden. Sie stehen für die seligen Zeiten, als die Natur noch ohne Einwirkung des Menschen existierte. Gleichzeitig sind Dinosaurier das beste Beispiel dafür, dass Naturkatastrophen und Artensterben keine Erfindung der Moderne sind, sonst würden sie schließlich immer noch durch die Prärie stapfen. So wabert Party inhaltlich zwischen politischer Aktualität und romantischem Kitsch, Optimismus und Pessimismus. Letztlich kann man auch seinen Auftritt in Baden-Baden auf zweierlei Weise empfinden: als anregend oder als langweilig.

When Tomorrow Comes. Bis 18. Februar 2024, geöffnet Di bis So von 10 bis 18 Uhr

Dekorative Untergangsszenarien

Künstler
Nicolas Party wurde 1980 in Lausanne geboren und lebt heute in New York. Für ihn sei es interessant, „über die Apokalypse und die Kunstgeschichte nachzudenken, über Sodom und Gomorrha und andere historische Gemälde mit Feuersbrünsten, die das Ende der Welt darstellen.“