Ein Eltern-Quartett schlägt sich ganz gut mit Yasmina Rezas „Gott des Gemetzels“.

Birkach - Da haben sie sich geprügelt auf dem Schulhof, Ferdinand und Bruno, die Bälger, die Blagen. Buben halt, so um die elf. Und jetzt müssen es die Eltern ausbaden, in einem klärenden Gespräch zu viert. Das französische Kammerspiel von Yasmina Reza war auch auf deutscher Bühne ein Welterfolg. Paris ist überall. Bei der Kulturreihe Birkach war am Samstag das Tournee Theater Stuttgart zu Gast im Nikolaus-Cusanus-Haus mit dem „Gott des Gemetzels“. Die Ränge im Festsaal waren nur ordentlich besetzt.

 

Die Geschichte betrifft auch eher diese ganz spezielle Sorte Leute: erfolgreiche, beruflich angespannte Mütter und Väter, psychosozial aufgeklärt und politisch korrekt, die vor lauter Alles-Richtig-Machen-Müssen ratzfatz heillos überfordert sind mit der bösen alten Raufbold-Welt ihrer Jungs. Das ist ein dankbares Thema, alltagstauglich fast sogar für Laien-Mimen und Faschingsschwänke. Mit Roman Polanskis Hollywood-Verfilmung und Namen wie Jodie Foster, Christoph Waltz, Kate Winslet liegt die Latte allerdings auch ziemlich hoch.

Ein klärendes Gespräch läuft aus dem Ruder

Der böse Bube gehört Alain und Annette, der Investment-Bankerin und dem gerissenen Pharmafirmen-Anwalt. Zur Abbitte für anderthalb geschädigte Zähne ihres Bruno lassen sie zu sich nach Hause bitten: Veronique, die für Afrika politisch engagierte Teilzeit-Schriftstellerin, und ihr halber Pantoffelheld Michel, der sein Geld im Sanitärhandel verdient.

Was so gutwillig und aufgeklärt spießig beginnt, schaukelt sich langsam hoch zu einer allseitigen Beziehungskrise. Die Macho-Männer verbünden sich. Die Frauen kotzt deren hohles Gehabe an. Und als es der einen dann richtig schlecht wird, woran wohl nicht der ökologisch korrekte Obstkuchen schuld ist, wird mit der Brechschüssel die Bahn frei für den Klamauk.

Der Gastgeber fährt dann auch noch die scharfen Sachen auf: karibischen Rum. Irgendwann liegt dann seine Gattin in den Armen des Gastes. Dessen Frau wiederum braucht beruhigenden Trost nicht nur für ihren empfindlichen Magen. Yasmina Rezas Stück hat schon eine pfiffige Erfolgsrezeptur. Und die Inszenierung nimmt das auf mit all den todsicheren Gags.

Gratwanderung zwischen Klamauk und zeitkritischer Satire

Beim Anwalt tönt ständig das Handy im martialischen Marseillaise-Ton. Der Hausherr hat sich mit dem Schicksal des Hamsters herumzuschlagen, den er irgendwo ausgesetzt hat. Und mit der Schwiegermutter, die ständig anruft. Als seine durchgeknallte Angetraute das nervige Smart-Phone in der Tulpenvase versenkt, ist die bürgerlichen Fassaden dann vollends abgeblättert.

Das Quartett um Theaterchef Klaus Ellemer als Hausherr Michel macht das ganz gut mit der Gratwanderung zwischen Gesellschafts-Klamauk und zeitkritischer Satire. Manchmal kommt Dorothee Baltzer als Gutmenschin Veronique in die Nähe einer Charakterstudie nach dem Muster von Liz Taylor im Film-Klassiker „Virginia Woolf“. Aber auch der von Dirk Deininger ziemlich klar vorgeführte Typus des windig-skrupellosen Karrieristen und seiner fassadenhaften Business-Gattin Sophie Schneider haben schon eine Menge an Profil, das dem Gewitzel eines erhellend ernsthaften und entlarvenden Hintergrund gibt. Und das wurde mit viel Beifall, mit Blumen und Wein belohnt.