Der erste Angeklagte gesteht, Beihilfe zu Menschenhandel und Zwangsprostitution geleistet zu haben – auch aus Furcht vor den Zuhältern aus dem „Hells Angels“- und „United Tribunes“-Milieu. Reden nun auch die anderen Angeklagten?

Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Stuttgart - Im Prozess gegen die Betreiber des FKK-Clubs „Paradise“ ist ein erstes Urteil des Landgerichts Stuttgart in greifbare Nähe gerückt. Es wird wohl noch vor der Weihnachtspause fallen. Grund hierfür: In den letzten Verhandlungswochen hat Rainer M., der Geschäftsführer des in Leinfelden-Echterdingen gelegenen Bordells, durch seine Anwälte eine umfangreiche Erklärung verlesen lassen, in der er die Anklagepunkte im Wesentlichen einräumt – und ein Geständnis abgelegt hat.

 

Zur Last gelegt wird ihm und seinen zwei Mitangeklagten, Hilfe im Bereich Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung und der ausbeuterischen Zwangsprostitution geleistet zu haben. Es wäre bundesweit das erste Urteil, dass solche Zusammenhänge strafrechtliche ahndet.

Langes Engagement im Rotlichtmilieu

Die Anklage wirft M. als auch dem in Untersuchungshaft sitzenden Bordellbetreiber Jürgen Rudloff und seinem Pressesprecher und Marketingchef Michael Beretin vor, sich der Hilfe der Rocker- oder rockerähnlichen Gruppierungen der Hells Angels und der United Tribunes und der für sie arbeitenden Prostituierten bedient zu haben, um Freiern immer eine ausreichende Anzahl von Frauen im „Paradise“ präsentieren zu können. Die Betreiber hatten, so die Anklage, Vertretern der Gruppierungen die Einlasskontrolle und die Bestückung des Etablissements mit Prostituierten überantwortet. „Ich versuchte, mit den Gruppierungen so wenig wie möglich in Kontakt zu treten“, heißt es in M.’s Aussage. Er habe es sich mit ihnen nicht verscherzen wollen und habe sie zum Teil bevorzugt behandelt, obwohl er gewusst habe, dass es eine erhöhte Neigung zur Zwangsprostitution gebe.

Sein Anwalt nennt es Respekt, als der Vorsitzende Richter fragt, ob M. Angst vor den Hells Angels oder den United Tribunes gehabt habe. Das Engagement des ehemaligen Berufssoldaten in der Rotlichtbranche reicht weit zurück. Im Jahr 1990 wechselte er in die Sicherheitsbranche. Ab der Jahrtausendwende, so seine Angaben, engagiert er sich in Bordellen in Leipzig, Augsburg und Ulm, bis er dann 2008 Geschäftsführer im „Paradise“ von Jürgen Rudloff wurde. Die Vernehmung von wegen Zwangsprostitution und Menschenhandel verurteilten und aus der Haft vorgeführten Zuhälter hatte in den letzten Prozesstagen noch einmal deutlich gemacht, dass die Prostituierten zum Teil mit körperlicher und psychischer Gewalt zu ihrer Arbeit gezwungen wurden.

Urteil wohl noch vor Weihnachten

Das Gericht hatte nach M.’s Erklärung dem Antrag seiner Anwälte stattgegeben, seinen Fall vom Verfahren abzutrennen. Um das Geständnis mit den Ermittlungen des Landeskriminalamtes abzugleichen, hatte das Gericht am Dienstag noch einmal einen LKA-Beamten geladen.

Nun deutet alles darauf hin, dass für den 53-Jährigen der Prozess mit einem Deal zu Ende gehen wird und er wohl mit einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, die noch zur Bewährung ausgesetzt werden kann, aus dem Verfahren geht. M., der nun in der Schweiz wohnt und zu den zwei Verhandlungstagen, die das Gericht pro Woche in dem Mammutverfahren angesetzt hat, aus dem Kanton St. Gallen anreist, hatte auf eine Einigung schon über Wochen hingearbeitet. Ebenso die Staatsanwaltschaft. Bringt die Beweisaufnahme, für die noch ein bis zwei Verhandlungstage angesetzt sind, keine weiteren belastenden Momente zu Tage, steht dem nichts mehr in Weg.

Sprechen nun auch die anderen Angeklagten

Interessant ist nun, ob seine Aussage in dem Prozess, in dem alle anderen drei Angeklagten bisher nichts zu den Anklagepunkten gesagt haben, diese ebenfalls zum Reden bringen wird. M. selbst könnte nun als Zeuge im Verfahren gegen seine ehemaligen Mitangeklagten auftreten. Andrea Combe, eine der Verteidigerinnen Jürgen Rudloffs, kommentierte die Entwicklung mit den Worten: „Das macht die Verteidigung nicht einfacher.“