Der CDU-Wahlkämpfer Norbert Röttgen hat in den eigenen Reihen den geringsten Rückhalt. Seine Chancen in NRW zu siegen, sind gering.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Bonn - Röttgen ist konservativ und wirkt auch ein bisschen spießig. Aus seiner Warte blickt man von oben herab auf den Rest der Welt. In dieser Höhenlage ist alles ein bisschen anders. Das Schicksal des Landes, vielleicht sogar der Bundesregierung, entscheidet sich unten im Tal, wo der Rhein fließt. Dort liegt Bonn, Norbert Röttgens Wahlkreis. Ausgerechnet jener gehobene Vorort oberhalb, der den gleichen Namen trägt, gehört nicht dazu.

 

In Bonn lassen sich die Probleme besichtigen, mit denen Röttgen zu kämpfen hat. Das nächstliegende heißt Bernhard von Grünberg – sein Gegenkandidat. Er ist regelmäßig im Raum 1.14 des Rathauses anzutreffen. Dort hält er seine Sprechstunden ab. An der Wand hängen Fotos von Gustav Heinemann und Willy Brandt, das Mobiliar und der Teppichboden könnten aus deren Zeit stammen. Den SPD-Mann kann man sich so vorstellen wie Lenin, wenn der das Rentenalter erreicht hätte. Ein grauer Spitzbart ziert sein Gesicht.

Der Anti-Röttgen im Leninstil

Genosse Grünberg ist so etwas wie ein Anti-Röttgen: volksnah, im Wahlkreis verwurzelt, ständig in der Stadt unterwegs, sozial engagiert, mit allen bekannt. 2010 hatte er den Wahlkreis 29 klar gewonnen. Es dürfte schwer werden für Norbert Röttgen, ihm das Mandat streitig zu machen. Ohne Direktmandat ist die Aussicht auf einen Sitz im Landtag aber gering. Und wer nicht im Landtag sitzt, kann weder Ministerpräsident noch Oppositionsführer werden. Schon die Wahl des Wahlkreises halten manche in der CDU deshalb für einen Fehler Röttgens. „Ich bin ihm noch nie persönlich begegnet“, erzählt Grünberg über seinen namhaften Konkurrenten. Heute könnte er ihn leibhaftig zu Gesicht bekommen. Röttgen tritt mit Angela Merkel auf dem Bonner Marktplatz auf.

Der juvenile Minister setzt auf seine Nähe zur Kanzlerin, auf Prominenz und Medienpräsenz. Das hat ihm schon im Kampf um den Landesvorsitz in Nordrhein-Westfalen nicht geschadet. Röttgen repräsentiert eine unideologische, moderne CDU nach Merkels Fasson. Das ist auch der Grund, weshalb ihn manche voll und ganz auf eine politische Rolle in der Landesliga verpflichten wollen. Merkel hingegen hat keinen Besseren für den Posten des Umweltministers. Aber sie kann sich auch keine Wahlschlappe im bevölkerungsreichsten Bundesland leisten. Ein rot-grüner Wahlsieg hier würde als Fanal für die Bundestagswahl verstanden. Deshalb muss sie alles daransetzen, Röttgen loszuwerden. Die Chancen sind im Moment jedoch gering. Und sie werden nicht besser, nachdem Röttgen beschlossen hat, ein doppeltes Spiel zu spielen.

Im Wahlkampf wird er darauf kaum angesprochen. Aber in den eigenen Reihen schwelt der Unmut. Der Ärger über Röttgens Rückfahrkarte nach Berlin erhitzt noch immer die Gemüter. „Das ist noch nicht verdaut“, berichtet ein führender CDU-Mann aus Nordrhein-Westfalen. Die Wirkung sei „intern verheerend“, sagt ein anderer. Das Fußvolk in der Partei fühle sich demotiviert. Er berichtet aus einer geschlossenen Versammlung: „Die eigenen Leute sind Röttgens schlimmste Feinde.“