Nordische Kombination Die Dominanz von Riiber ist eine Gefahr für die gesamte Sportart

Jarl Magnus Riiber: Der weltbeste Kombinierer muss beim Jubeln vorsichtig sein. Foto: dpa/Bernd Weißbrod

Der Norweger ist der nordische Dominierer, aus der Spur bringen kann ihn nur sein eigener Körper. Für die Kombination wird die Eintönigkeit zum Problem – die olympische Zukunft ist fraglich.

Egal wie tief, schmutzig, eisig oder künstlich die Pisten und Loipen sein mögen, es gibt auch in diesem Winter Topstars, die auf Schnee glänzen. Die Biathleten Julia Simon und Johannes Thingnes Bö sammeln bei der verregneten WM Medaillen wie andere Leute Briefmarken, keiner stürzt sich erfolgreicher zu Tal als Skirennläufer Marco Odermatt, Ryoyu Kobayashi flog zum dritten Sieg bei der Vierschanzentournee. Doch niemand beherrscht die Konkurrenz so wie Jarl Magnus Riiber, der nordische Dominierer. Das ist schön für ihn. Und ein großes Problem für seine Sportart.

 

Manche Beobachter sprechen angesichts der Eintönigkeit auf der Schanze und in der Spur schon von der kombinierten Langeweile. Und Bundestrainer Eric Frenzel meinte neulich nach dem Weltcup in Oberstdorf (Doppelsieger Riiber) beim Blick in die Ergebnisliste: „Das ist erschreckend.“ Weil in dieser Saison erneut zu sehen ist, was ohnehin schon jeder wusste. Der Norweger kennt nur einen Gegner – sich selbst.

Die Statistiken von Riiber sind beeindruckend

Als bisher einziger Wintersportler holte der Kombinierer, durch drei Erfolge am Wochenende im estnischen Otepää, schon jetzt den Gesamtweltcup. Das gelang Riiber (26) zum fünften Mal, er liegt nun gleichauf mit Frenzel an der Spitze. Was seine Einzelergebnisse betrifft, ist der Norweger längst eine Klasse für sich. Er gewann 71 Weltcuprennen (Hannu Manninen 48, Eric Frenzel 43) und kommt auf 96 Podestplätze – bei lediglich 128 Starts. Und bei der WM 2023 in Planica schaffte er, was bislang nur Johannes Rydzek 2017 in Lahti gelungen war: alle vier möglichen Titel abzuräumen.

Auch in dieser Saison ist Riiber auf extrem hohem Niveau unterwegs, zuletzt holte er zehn (!) Siege in Serie. Völlig egal ist ihm, dass die Weltcup-Verantwortlichen alles versuchen, um die Rennen irgendwie spannender zu machen. Egal ob Compact Race (die Abstände werden vor dem Laufen minimiert), Massenstart (erst Laufen, dann Springen) oder das herkömmliche Format: am Ende liegt Riiber vorne. Er ist nicht nur der mit Abstand beste Springer, wie sein Schanzenrekord in Otepää zuletzt erneut zeigte, sondern mittlerweile auch in der Spur der Vielseitigste. Er kann ein Rennen von vorne laufen, das Tempo bestimmen, die Taktik variieren, im Sprint gewinnen. Und, wenn nötig, seine Konkurrenten auch mal unfein ausbremsen, wie in der WM-Staffel in Planica den deutschen Schlussläufer Julian Schmid. Kurzum: Riiber ist wie geschaffen für die nordische Kombination. Er vereint Sprungkraft und Fluggefühl, Lauftechnik und Kraftausdauer. Doch auch sein Körper hat eine Schwachstelle.

Erneute Schulter-OP

Schon als 19-Jähriger kugelte er sich öfter die Schulter aus, einmal sogar, als er in seinen Sprunganzug schlüpfte. Riiber wurde operiert, doch nun muss er erneut unters Messer. Diesmal ist die andere Schulter dran, die er sich schon beim Jubeln ausgekugelt hat, aber auch auf der Tanzfläche. Die Operation ist für den 19. März geplant, direkt nach dem letzten Weltcup in Trondheim. Ob er sie nun, da der Sieg im Gesamtweltcup bereits perfekt ist, womöglich vorzieht, ist offen – bisher war seine Maxime immer, möglichst wenig Zeit zu verlieren.

Nach dem Eingriff kann Riiber zwei Monate lang kein Sprungtraining absolvieren, was mit Blick auf die Heim-WM 2025 in Trondheim ziemlich schmerzhaft ist. Trotzdem hat Ivar Stuan, der Sportdirektor der norwegischen Kombinierer, keine Zweifel daran, dass sein Star schnell zu alter Stärke zurückfinden wird: „Schreibe niemals einen Jarl Magnus Riiber ab.“ Für die Konkurrenz muss sich das anhören wie eine Drohung – die sogar existenzbedrohend sein könnte.

Noch ohne olympische Einzelmedaille

2026, bei den Olympischen Spielen in Italien, sind die Kombinierer zwar dabei, allerdings nur auf Bewährung. Das hat damit zu tun, dass das Internationale Olympische Komitee (IOC) die Kombiniererinnen nicht ins Programm aufnehmen wollte. Ihnen wurde eine zu geringe Leistungsdichte in der Weltspitze und mangelnde Attraktivität attestiert. Zugleich betonte das IOC, dass es künftig bei Sommer- und Winterspielen nur noch Sportarten mit Wettbewerben für beide Geschlechter geben wird. Es sieht so aus, als würden die Herren der Ringe sogar das Ende der Kombination in Kauf nehmen, was zeigt, dass sie die Eintönigkeit schon lange stört: in Sotschi (2014), Pyoengchang (2018) und Peking (2022) gingen die 27 Medaillen an Athleten aus nur vier Ländern – Deutschland, Norwegen, Österreich und Japan. Vielfalt sieht anders aus.

Jarl Magnus Riiber? Wird das in seinem Ehrgeiz nicht bremsen. Im Gegenteil. Gerade mit Olympischen Spielen hat der Mann, der achtmal WM-Gold gewann, noch eine Rechnung offen. In Pyoengchang waren vor allem die Deutschen zu stark, Riiber wurde in den Einzelrennen zweimal Vierter, als Trost blieb ihm Staffel-Silber. Und in Peking musste er nach einer Coronainfektion in Quarantäne, verpasste den Wettbewerb von der Normalschanze. Kurz nach dem Ende der Isolation gelang ihm auf der Großschanze der weiteste Sprung. Er startete mit riesigem Vorsprung, bog auf der Strecke aber als Führender falsch ab und wurde völlig entkräftet Achter. Für die Staffel wurde er nicht aufgestellt, die Trainer wollten ihn vor sich selbst schützen. Deshalb geht der Blick von Riiber („Arbeite so hart, dass alles, was du machst, einfach aussieht“) schon jetzt in Richtung Val die Fiemme, wo 2026 die Medaillen vergeben werden. Dort will er endlich auch bei Olympischen Spielen glänzen.

Vielleicht ist es ja die letzte Gelegenheit.

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