Nordische Ski-WM in Oberstdorf Jarl Magnus Riiber ist der nordische Dominierer – und der Gejagte
Warum der Norweger Jarl Magnus Riiber die Kombination beherrscht – und die Deutschen vor ihrer Heim-WM dennoch nicht ohne Hoffnung sind.
Warum der Norweger Jarl Magnus Riiber die Kombination beherrscht – und die Deutschen vor ihrer Heim-WM dennoch nicht ohne Hoffnung sind.
Oberstdorf - Die norwegischen Biathleten landeten zuletzt bei der WM etliche Volltreffer, holten sieben von zwölf Titeln. Das war herausragend, und nun ist sogar noch eine Steigerung möglich – bei der Nordischen Ski-WM in Oberstdorf. „Es könnten echte Norweger-Festspiele werden“, sagt Langlauf-Bundestrainer Peter Schlickenrieder. Dank Therese Johaug und Johannes Kläbo in der Loipe, dank Halvor Egner Granerud auf der Schanze und dank Jarl Magnus Riiber, dem weltbesten Kombinierer.
Riiber ist erst 23 Jahre alt, und doch wird er diese Saison ziemlich sicher schon zum dritten Mal den Gesamtweltcup gewinnen, zudem wurde er 2019 in Seefeld Doppel-Weltmeister. „Und das“, sagte Ivar Stuan, der Sportchef der norwegischen Kombinierer, „war erst der Anfang.“ In der Tat gibt es Experten, die Riiber zutrauen, was bisher nur Johannes Rydzek 2017 in Lahti gelang: viermal Gold in vier Rennen. Einer dieser Fachleute ist Hermann Weinbuch.
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Wenn der Bundestrainer über den Norweger spricht, ist der Respekt unüberhörbar. Er lobt das Talent von Riiber, seine Ausbildung, sein außergewöhnliches Sprungvermögen, seine gute Langlauf-Technik, sein taktisches Verständnis. „Er ist das Maß der Dinge, weil er sehr viele Dinge in sich vereint, die ein Kombinierer braucht“, meint Weinbuch, „er ist ein nahezu kompletter Athlet, der nicht viele Schwächen hat.“ Eine davon wollen die Deutschen bei ihrer Heim-WM nutzen.
Riiber betont zwar stets, dass er jedes Rennen als neue Herausforderung sehe, jeden Gegner ernst nehme, sich nie zu sicher fühle. Und doch demonstriert er allzu gerne sein ausgeprägtes Selbstbewusstsein. Zum Beispiel, als er die ersten beiden Trainingssprünge in Oberstdorf kurzerhand auslässt. „Er hat wieder mal mit seinen Nerventricks gepokert“, sagt Weinbuch, „wer ihn schlagen will, muss ihn an seinem Ego packen – und ihn ins Nachdenken bringen.“ Weil Riiber es gewohnt sei, immer und überall zu gewinnen, falle es ihm schwer zu akzeptieren, dass selbst er nicht unantastbar ist. Vinzenz Geiger weiß, wie man das ausnutzt.
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Der Oberstdorfer hat in diesem Winter zwei Doppelsiege gelandet – in Klingenthal Anfang Februar fehlte Riiber, weil er sich daheim in Norwegen auf die WM vorbereitet hat. Doch im Dezember im österreichischen Ramsau musste der nordische Dominierer den sprintstarken Geiger zweimal ziehen lassen. „Diese Niederlagen hat er sicher noch im Hinterkopf“, sagt Weinbuch, „und genau dort wollten wir hin.“
Ob es etwas hilft, wird sich an diesem Freitag zeigen, erst auf der Normalschanze (10.15 Uhr), dann im 10-Kilometer-Lauf (16 Uhr/ARD). Dort möchten Geiger, Eric Frenzel, Fabian Rießle und Johannes Rydzek den Favoriten jagen, der auch deshalb so stark ist, weil die Kräfteverhältnisse vor nicht allzu langer Zeit noch umgekehrt gewesen sind.
Bei den Olympischen Spielen 2018 war Riiber das große Talent, dem die Zukunft gehört. Er selbst aber hatte schon in Pyeongchang vor, eine Einzelmedaille zu holen. Mindestens. Am Ende wurde er zweimal Vierter, beim Wettbewerb von der Großschanze hinter dem Trio Rydzek, Rießle, Frenzel. „Das war der Wendepunkt in meiner Karriere“, sagt Riiber heute, „so etwas wollte ich nicht noch einmal erleben. Also habe ich alles getan, um besser zu werden.“
Der Mann, der auf der Schanze mit den besten Spezialspringern seines Landes mithalten kann, steigerte sich in der Loipe deutlich. Auch um seine Trainingsumfänge erhöhen zu können, legte er sich ein Ferienhäuschen im Norden Norwegens zu. Es steht auf einer schneereichen Hochebene, dient ihm und seinem zwei Jahre älteren Bruder Harald Johnas als Trainingsdomizil. Riiber, dessen Vater John ebenfalls Kombinierer war, gilt als bodenständiger Familienmensch, zusammen mit Sunna Margret Tryggvadottir hat er eine neun Monate alte Tochter. Dank des Häuschens in der Natur kann er Sport und Privatleben immer wieder perfekt kombinieren: „Das war eine gute Investition.“ Nun geht es darum, in Oberstdorf die Rendite einzufahren. Dass seinem Sohn dies gelingen kann, daran hat John Riiber keine Zweifel: „Seine innere Motivation ist erstaunlich. Wer so eine Leidenschaft in sich spürt, der weiß, wie weit er es schaffen kann.“
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Hört sich nicht so an, als sähen sich die Riibers schon bald am Ziel. Weshalb die Konkurrenz erst recht versuchen wird, dem nordischen Dominierer Steine in den Weg zu legen. Die Stimmung in seinem Team, hat Weinbuch vor dem WM-Auftakt verraten, sei jedenfalls bestens. Im Hotel habe man zur Ablenkung viel Tischtennis und Darts gespielt – und öfter mal an Riiber gedacht: „Gepokert haben wir auch.“ Mal schauen, wer im Schnee die besten Karten hat.