Der Energiekonzern EnBW legt das Milliardenprojekt eines Windparks in der Nordsee vorerst auf Eis. Nach Informationen der Stuttgarter Zeitung sieht er sich dazu gezwungen, weil die Netzanbindung vorerst nicht gewährleistet ist.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Der Energiekonzern EnBW legt das Milliardenprojekt eines Windparks in der Nordsee vorerst auf Eis. Nach Informationen der Stuttgarter Zeitung sieht er sich dazu gezwungen, weil wegen der politischen Rahmenbedingungen die Netzanbindung vorerst nicht gewährleistet ist. Damit fehlt bis auf Weiteres die ökonomische Grundlage für die geplante 1,5-Milliarden-Euro-Investition, über die der Vorstand unter seinem neuen Vorsitzenden Frank Mastiaux eigentlich am Dienstag entscheiden sollte. An dem Projekt mit der Bezeichnung „Hohe See“ soll aber grundsätzlich festgehalten werden.

 

Ein EnBW-Sprecher bestätigte auf StZ-Anfrage, es gebe „keine Investitionsentscheidung“ für den Windpark. Er bekräftigte jedoch, dass der Konzern unverändert auf die Windkraft und auch auf Offshore-Windparks setze. Damit beugt das Unternehmen offenbar Irritationen vor, die die Entscheidung bei den Großaktionären und in der Öffentlichkeit auslösen könnte. Der Stopp für den Windpark ist die erste wichtige Weichenstellung von Mastiaux, der sein Amt Anfang Oktober angetreten hat. Er soll offenbar nicht als Signal gegen die Windkraft verstanden werden, was besonders die grün-rote Landesregierung irritieren könnte. Sie versteht die EnBW schließlich als Instrument für die Energiewende.

80 Turbinen mit einer Gesamtleistung von 500 Megawatt

Der Windpark „Hohe See“ soll 90 Kilometer von der Küste entfernt in knapp vierzig Meter Wassertiefe entstehen. Geplant sind 80 Turbinen mit einer Gesamtleistung von 500 Megawatt. Damit wäre das Projekt weitaus größer und anspruchsvoller als der bestehende, 2010 in Betrieb genommene EnBW-Windpark Baltic 1 in der Ostsee, wo 21 Turbinen 16 Kilometer vor der Küste in 18 Meter Wassertiefe 48,3 Megawatt Gesamtleistung liefern. Als Wunschtermin für die Inbetriebnahme war ursprünglich das Jahr 2017 angepeilt worden. Dies dürfte sich nun nicht mehr einhalten lassen, auch wenn die Dauer der Verzögerung nicht absehbar ist. Eine neue Prognose war angesichts der unsicheren Rahmenbedingungen nicht zu erhalten. Es handelt sich um das dritte Windpark-Projekt der EnBW.

Nach StZ-Informationen hat die EnBW für den Windpark „Hohe See“ bereits Vorleistungen in zweistelliger Millionenhöhe erbracht. Wegen des Planungsstopps müssen nun offenbar laufende Vergabeverfahren ausgesetzt werden. Dies könnte wiederum zu Mehrkosten führen. Auch der Wert der Vorleistungen droht sich durch die Verschiebung zu reduzieren – umso mehr, je später das Projekt realisiert wird.

„Vertrauensschutz massiv verletzt“

Wegen der Probleme um den niederländischen Netzbetreiber Tennet hatte bereits der frühere Konzernchef Hans-Peter Villis einen Brandbrief an den Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) geschrieben. Darin teilte er Ende August mit, dass man die „finale Investitionsentscheidung“ auf November verschoben habe. Für die Probleme machte Villis vor allem nicht eingelöste Zusagen der Politik verantwortlich. Durch die geplanten Regelungen für die Offshore-Windkraft werde der „Vertrauensschutz ... massiv verletzt“ und das Projekt „Hohe See“ stark gefährdet oder sogar unmöglich gemacht. Die Novelle gehe zwar in die richtige Richtung, erfülle aber nicht die notwendigen Voraussetzungen für milliardenschwere Investitionen.

Von Villis’ Nachfolger Mastiaux war zunächst keine Stellungnahme zu erhalten. Er hält sich mit öffentlichen Äußerungen noch stark zurück und nutzt seine ersten 100 Tage, um das Unternehmen kennenzulernen. Dabei hat er sich vorgenommen, alle Standorte zu besuchen.

Erst vor Kurzem war bekannt geworden, dass der Stadtwerkeverbund Südweststrom von einer Investition in einen Nordsee-Windpark Abstand nimmt. Er will den Kauf des von Pannen begleiteten Projekts „Bard Offshore 1“ nicht weiterverfolgen. Die endgültige Entscheidung darüber soll aber erst nächste Woche fallen.