Die Terroristen des NSU jagten dem Polizisten Martin A. eine Kugel in den Kopf - hinterrücks bei einer Pause im Streifenwagen. Eigentlich hätte er an dem Tag Urlaub gehabt. Seine Kollegin Michèle Kiesewetter überlebte das Attentat nicht.

München - Im NSU-Prozess hat am Donnerstag der Überlebende des Mordanschlags auf zwei Polizisten in Heilbronn als Zeuge ausgesagt. Den Tag des Anschlags schilderte Martin A. detailliert, kurz vor dem Attentat setzt seine Erinnerung jedoch aus. „Die zehn Minuten waren schwarz, die kamen nicht mehr wieder“, sagte der 31-Jährige. Die Attentäter hatten ihm in den Kopf geschossen. Seine Kollegin Michèle Kiesewetter starb noch am Ort des Anschlags.

 

Martin A. erwachte erst einige Wochen später aus dem Koma. Bis heute hört er auf dem rechten Ohr schlecht und hat Gleichgewichtsprobleme. Der Einsatz in Heilbronn am 25. April 2007 sei sein erster überhaupt nach der Polizeiausbildung gewesen, erzählte Martin A. - eigentlich hätte er eine Woche Urlaub gehabt. „Ich habe mich freiwillig gemeldet, weil ich noch keinen Einsatz hatte“, sagte er. Inzwischen arbeite er nach einer Rehabilitation wieder als Polizeibeamter, allerdings nur noch im Innendienst. Er sei noch immer in Therapie.

Laut Anklage verübten die beiden Neonazi-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt den Mordanschlag - ebenso wie neun weitere auf Bürger türkischer und griechischer Herkunft. Im Prozess ist Beate Zschäpe als Mittäterin aller Anschläge des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) angeklagt.

Am Vormittag zeigte ein Kommissar Fotos vom Tatort. Kiesewetter und Martin A. hatten ihren Streifenwagen am Rand der Heilbronner Theresienwiese geparkt, um eine Pause zu machen. Bei offenen Türen rauchten sie eine Zigarette, als die Täter beiden - wohl ohne jede Vorwarnung - in den Kopf schossen. Martin A. sagte, seine Erinnerung setze an dem Punkt aus, als sie auf die Theresienwiese fuhren. „Alles danach habe ich nur rekonstruiert. Dass wir geparkt haben und wo, weiß ich nur von den Bildern.“

Auch Kiesewetter, bei ihrem Tod 22 Jahre alt, hatte sich erst wenige Tage vor dem Einsatz freiwillig für den Dienst gemeldet. Die Ermittler suchten ausführlich nach möglichen Verbindungen zwischen den NSU-Mitgliedern und der Polizistin, die ebenfalls aus Thüringen stammte - jedoch ohne Erfolg. Die Bundesanwaltschaft hält Kiesewetter und Martin A. für „Zufallsopfer“ - die Terroristen hätten sie als Vertreter des ihnen verhassten Staates angegriffen.

Die Dienstpistolen der Opfer nahmen die Täter an sich; außerdem stahlen sie Kiesewetter Pfefferspray und Handschellen. Die Gegenstände waren für die Terroristen möglicherweise Trophäen: Die Dienstwaffen wurden in dem Campingwagen gefunden, den Böhnhardt und Mundlos bei ihrem letzten Banküberfall am 4. November 2011 in Eisenach nutzten. Außerdem fanden die Ermittler an einer Jogginghose von Uwe Mundlos Blutspuren Kiesewetters. Mundlos hatte die Hose seit dem Attentat nicht mehr gewaschen.