Bereits mehrfach sind nicht-öffentliche Informationen aus dem NSU-Ausschuss an die Öffentlichkeit gelangt. In einem aktuellen Fall ermittelt jetzt die Staatsanwaltschaft wegen Geheimnisverrats.

Stuttgart - Grüne, SPD und CDU wollen nach eigenen Angaben die Ermittlungen ermöglichen, die FDP hat sich noch nicht entschieden: Die Staatsanwaltschaft Stuttgart wartet bei den Untersuchungen wegen des Verdachtes auf Geheimnisverrat aus dem NSU-Untersuchungsausschuss auf die Ermächtigung des Landtagspräsidenten. Die Staatsanwaltschaft hat nach eigenen Angaben ein Ermittlungsverfahren gegen unbekannt eröffnet, weil eine Zeitung über Inhalte einer nichtöffentlichen Sitzung des Landtagsausschusses berichtet hatte. Der Deutsche Journalistenverband warnte die Behörden vor einer möglichen Einschüchterung von Journalisten.

 

Die „Stuttgarter Nachrichten“ hatten die Informationen damals öffentlich gemacht - und nun zuerst über das Verfahren geschrieben. Die Zeitung hatte am 13. Juli über die Sitzung des Ausschusses berichtet, der die Bezüge der rechtsextremen NSU-Terroristen aus Thüringen nach Baden-Württemberg aufarbeiten soll.

Zusammenarbeit von Verfassungsschutz und KKK

Dem „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) werden zwischen den Jahren 2000 und 2007 zehn Morde zur Last gelegt. Dem Ausschuss geht es auch um Vorgänge um eine Sektion des rassistischen Ku-Klux-Klans (KKK) in Schwäbisch Hall, in dem unter anderem zwei Polizisten Mitglieder waren. In dem Zeitungsbericht über die nichtöffentliche Sitzung ging es um die Zusammenarbeit von Verfassungsschutz und KKK.

Das Innenministerium hat ursprünglich das Justizministerium auf die Veröffentlichung der Informationen aufmerksam gemacht. Das Justizministerium betonte, die Ermittlungen zu keinem Zeitpunkt beeinflusst zu haben. Die Staatsanwaltschaft hat Landtagspräsident Wilfried Klenk (CDU) im August um die Ermächtigung gebeten, im Parlament ermitteln zu können. Klenk wiederum muss sich diese Ermächtigung von den Fraktionen holen. „Bevor wir die nicht haben, können wir nichts unternehmen“, sagte eine Sprecherin am Donnerstag. Sollte ein Abgeordneter Informationen weitergegeben haben, drohen ihm bis zu drei Jahre Haft.

Mögliche Einschüchterung von Journalisten

Der Deutsche Journalistenverband hat die Staatsanwaltschaft vor einer möglichen Einschüchterung von Journalisten gewarnt. „Ich kann den Stuttgarter Ermittlungsbehörden wirklich nur dazu raten, nicht der Gefahr zu erliegen, eine Netzpolitik.org-Affäre im Kleinen neu aufzuziehen“, sagte ein Sprecher. Es gebe keinerlei Veranlassung, gegen die „Stuttgarter Nachrichten“ vorzugehen.

In der Netzpolitik.org-Affäre hatte der Verfassungsschutz nach der Veröffentlichung vertraulicher Dokumente Strafanzeige gegen unbekannt gestellt. Der Generalbundesanwalt leitete Ermittlungen wegen Landesverrats gegen die Blogger des Portals ein, die später eingestellt wurden.

„Andere Stoßrichtung“

Die Staatsanwaltschaft weist den Vergleich mit den Ermittlungen gegen Netzpolitik.org allerdings zurück. „Es ist eine andere Stoßrichtung“, sagte eine Sprecherin. „Hier geht es um Straftaten im Amt für Amtsträger, die besondere Pflichten haben und sich strafbar machen können, wenn sie dagegen verstoßen.“ Innerhalb dieses Paragrafen könne nicht gegen Journalisten ermittelt werden.

Der Fraktionsvorsitzende der FDP, Hans-Ulrich Rülke, äußerte sich kritisch: „Persönlich habe ich aber ein äußerst ungutes Gefühl“. sagte er über die Ermittlungen. „Jedenfalls werden Freie Demokraten auf keinen Fall ihre Hand dazu reichen, wenn die Landesregierung den Versuch unternimmt, die Pressefreiheit einzuschränken.“ Die Frist für eine Erwiderung laufe noch bis zum 18. September.

Die CDU hält die Ermittlungen dagegen für notwendig. „Bei Verdacht einer Straftat ist die Staatsanwaltschaft durch das Gesetz zur Aufnahme von Ermittlungen verpflichtet“, sagte der Fraktionsvorsitzende und Spitzenkandidat Guido Wolf. Grüne und SPD wollten die Ermittlungen nicht bewerten.