NSU-Untersuchungsausschuss Zeuge doch noch ermittelt

Die Polizei betrachtet Florian H., der 2013 auf dem Cannstatter Wasen in seinem Auto verbrannte, als Prahlhans. Nur ein Mitläufer in der rechten Szene. Doch der NSU-Untersuchungsausschuss findet Hinweise, dass er vielleicht doch mehr wusste.
Stuttgart - Im NSU-Untersuchungsausschuss des Landtags ist am Freitag Spannung aufgekommen. Aktuelle, erst durch die Ausschussarbeit ausgelöste Ermittlungen des Landeskriminalamts (LKA) ergaben, dass im rechtsextremistischen Spektrum tatsächlich eine Vereinigung namens Neoschutzstaffel (NSS) existieren könnte. Das geht aus den Aussagen eines Beamten der – inzwischen aufgelösten – Ermittlungsgruppe Umfeld hervor. Er berichtete in nichtöffentlicher Sitzung, dass in diesen Tagen ein Zeugen namens „Matze“ ausfindig gemacht worden sei, der sich als Mitglied dieser Gruppierung bekannte.
Dieser Hinweis birgt eine gewisse Brisanz, weil er zu Florian H. führt, jenem jungen Mann aus Eppingen (Landkreis Heilbronn), der auf dem Cannstatter Wasen im September 2013 verbrannte. Die Polizei geht von Selbsttötung aus. Florian H. befand sich in einem Aussteigerprogramm des LKA und sollte am Tag seines Todes von der Ermittlungsgruppe Umfeld vernommen werden. Der Grund: Der 21-jährige hatte 2012 der Polizei von einem Treffen in Öhringen (Hohenlohekreis) berichtet, bei dem sich die „beiden radikalsten Gruppierungen“ in Deutschland vorgestellt hätten – NSU und NSS, also der Nationalsozialistische Untergrund und die ominöse Neoschutzstaffel. Auf Florian H. waren die Ermittler ursprünglich deshalb gestoßen, weil er gesagt haben soll, er wisse, wer die Polizistin Michèle Kiesewetter 2007 in Heilbronn erschossen habe. Florians Vater hatte vor dem Untersuchungsausschuss gesagt, sein Sohn habe den Münchner NSU-Prozess als Farce bezeichnet, jedenfalls solange dort nicht drei weitere Rechtsextremisten auf der Anklagebank säßen. „Matze“, der neu identifizierte NSS-Kamerad von Florian, gehöre zu diesen Dreien.
Überraschung im Ausschuss
Die Frage ist nun: Verbirgt sich doch mehr hinter der NSS? Und wenn Florian H. mit der NSS Recht hatte, ist dann auch an seinen Aussagen etwas dran? Im Bericht der Ermittlungsgruppe Umfeld vom Januar 2014 hieß es: „Es bestehen keine weitergehenden Anhaltspunkte zur tatsächlichen Existenz der Organisation ‚Neoschutzstaffel’ (NSS).“ Dass nun doch Indizien auf die NSS gefunden wurde, lässt die Arbeit der Ermittler zu diesem Aspekt in schlechtem Licht erscheinen. Vor dem Ausschuss sagte der Beamte der Ermittlungsgruppe, es sei nicht früher gelungen, „Matze“ anhand von Florians Beschreibungen zu identifizieren. Auf einen Beweisantrag des CDU-Abgeordneten Matthias Pröfrock hin waren die Unterlagen nochmals durchgesehen worden. Wolfgang Drexler, der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, sagte: „Für mich ist es überraschend, dass es Herrn „Matze“ gibt, der sagt, er sei in den NSS aufgenommen worden.“ Andere Abgeordnete äußerten sich skeptisch. Florian und „Matze“ seien Aufschneider gewesen. „Die haben sich gegenseitig Räuberpistolen erzählt“, sagte der CDU-Abgeordnete Matthias Pröfrock.
Diesen Eindruck gewann auch eine Oberkommissarin des LKA, die Anfang 2012 mit Florian nach Öhringen gefahren war, um nach dem Ort der vermeintlichen Selbstpräsentation von NSU und NSS zu suchen. Es stellte sich heraus, dass es sich um das Haus der Jugend handelte. Dass sich dort Rechtsextremisten getroffen haben könnten, dafür fand die Ermittlerin keine Hinweise.
Sie gelangte zu dem Fazit, der Zeuge habe die Geschichte von dem Treffen von NSU und NSS erfunden, neige überhaupt zum Prahlen, mit seinem angeblichen Wissen über die Kiesewetter-Mörder habe er sich vor den beiden Mädchen wichtig machen wollen, denen er die Geschichte erzählt haben.
Ein bemerkenswert bräsig auftretender Beamter des Polizeipräsidiums Heilbronn behauptete im Ausschuss, in Heilbronn gebe es eigentlich keine rechte Szene, schon gar nicht in organisierter Form. Auffällig auch: Die Behörden verschanzen sich zunehmend hinter angeblichen Geheimhaltungsbedürfnissen.
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