Die Freie Kunstakademie hat doppelt Grund zum Feiern: Sie selbst wird 40, ihr Domizil 200 Jahre alt. Bei einem Festakt gibt es von Donnerstag, 21. Juli, an ein vielfältiges Programm mit Performances, Diskussionsrunden, Ausstellungen, Musik und Kulinarischem.

Nürtingen - Vor 40 Jahren gelang es dem Bildhauer Karl-Heinz Türk mit sieben Mitstreitern zu verhindern, dass die Textilfabrik Melchior am Neckarufer in Nürtingen vollends abgerissen wurde. In den Gebäuden des lange Zeit wichtigsten Arbeitgebers der Stadt befindet sich seither die Freie Kunstakademie Nürtingen (FKN). Da die Fabrik, ursprünglich Baumwollspinnerei Otto, vor 200 Jahren gegründet wurde, feiert die FKN in diesem Jahr ein Doppeljubiläum: Im Stadtmuseum läuft bereits eine Ausstellung zur Geschichte des Areals. Und die Akademie feiert von Donnerstag, 21. Juli, an vier Tage lang unter dem Titel: „Voll Stoff!“.

 

Farbenfrohe Show mit skurrilen Kostümen

Mit dabei: Jürgen Thies, Stiftungsvorstand und einer der acht Gründer, der mit Bürgermeisterin Claudia Grau und Akademieleiterin Katrin Burtschell am Donnerstag in das Programm einführen wird, durch das sich wie ein roter Faden die Textilgeschichte zieht. In den skurrilen, fast barocken Kostümen von Justyna Koeke, die wiederum den korbartigen Keramikobjekten von Thomas Weber nachempfunden sind, wird die japanische Tänzerin Sawako Nunotani auftreten, assistiert von Studierenden der FKN. Der von Wolfgang Schorlau im Dengler-Krimi verewigte Kochkünstler Mario Ohno wird derweil auf selbst konstruierten, wandelnden Theken seine Köstlichkeiten anbieten. Justyna Koeke ist als Kostümdesignerin und Musikerin auch an der Akademischen Betriebskapelle der Stuttgarter Kunstakademie beteiligt, die am Samstagabend für Unterhaltung sorgt. Vom kommenden Wintersemester an übernimmt sie an der FKN den Bereich Textile Medien.

Performer hangelt sich von Baum zu Baum

Thomas Putze lehrt bereits seit dem Vorjahr an der Akademie. Am Freitag wird sich der Bildhauer unter Mitwirkung des Publikums als „Ästling“ – so nennt man ein Vogeljunges, das noch nicht flügge ist – von Baum zu Baum hangeln. Damit spielt er an auf die Situation der Studierenden, die sich anschicken, die Akademie zu verlassen und in die Welt hinauszutreten. Sie präsentieren im traditionellen Rundgang an allen drei Tagen des Wochenendes ihre Arbeiten. Die Keramik-Zahnräder von Brigitte Eichhorst etwa verweisen auf die sich nicht mehr drehenden Räder der alten Fabrik, in der heute Kunst gelehrt wird. Aber ist Keramik Kunst oder doch eher Kunsthandwerk? Darüber diskutieren am Freitag der frühere Direktor des Frankfurter Museums für Angewandte Kunst, Ulrich Schneider, und der Darmstädter Professor für Design-Theorie, Justus Theinert, mit den beteiligten Künstlern, während Laurenz Theinert, der Zwillingsbruder des Letzteren, die Akademie spätabends, nach dem Auftritt der hauseigenen Pussy Pilots, mit dem Duo Hammerhaus buchstäblich ins rechte Licht setzen wird.

Das frisch renovierte Dach hat Symbolcharakter

Noch vor einigen Jahren schien die Zukunft der FKN alles andere als sicher. Insofern hat es symbolische Bedeutung, wenn am Samstag Nürtingens Oberbürgermeister Otmar Heirich kommt, um das frisch renovierte Dach einzuweihen. Die im Anschluss eröffnete Fotoausstellung der Studierenden Jochen Kleins hält schon mal für künftige Jubiläen das derzeitige Akademieleben fest. Führungen durch das Areal und die Ausstellung im Stadtmuseum, ein Kinderprogramm am Samstagnachmittag und ein Wiedersehen ehemaliger Studierender an der Alumnibar ergänzen das Programm. Am Sonntagnachmittag wird die Performance-Künstlerin Nana Hülsewig unter anderem ein von Jürgen Thies gestiftetes Werk des FKN-Gründers K. H. Türk versteigern. Und zum Abschluss lässt der Künstler-Motorradclub MC o.T. kräftig die Maschinen röhren.