Der Oberbürgermeister von Schwäbisch Gmünd fordert, dass Kommunen vom Land gehört werden, bevor ein Flüchtling abgeschoben wird. Es geht unter anderem um einen dreijährigen Jungen.

Schwäbisch Gmünd - Richard Arnold hat nichts gegen Abschiebungen. „Der Druck hat sich enorm erhöht“, sagt der Oberbürgermeister von Schwäbisch Gmünd im Ostalbkreis. Es sei erklärter Wille der Politik gewesen, mehr Flüchtlinge wieder in ihre Heimatländer zu schicken. „Dagegen ist nichts einzuwenden“, sagt der Christdemokrat. Das Aber folgt jedoch sofort: Die derzeitige Abschiebepraxis funktioniere nicht. „Es trifft die Falschen.“

 

Arnold nennt Beispiele. Da ist der dreieinhalbjährige Sohn einer Nigerianerin. Seine Mutter, die ihn und seine fünf und elf Jahre alten Geschwister alleine erzieht, hat eine Aufenthaltserlaubnis in Italien. Sie arbeitet nach Angaben der Stadt Schwäbisch Gmünd stundenweise bei einem Bäcker und verdient damit etwa 500 Euro im Monat. Ihr Jüngster ist in Deutschland geboren, nun hat er einen Bescheid bekommen: Sein Asylantrag ist abgelehnt, er habe binnen einer Woche auszureisen. Nicht nur wegen dieses besonders harten Falls fordert Arnold mit dem Ostalbkreis-Landrat Klaus Pavel, ebenfalls CDU, dass Städte und Gemeinden vom Land gehört werden – und zwar bevor über die Ausweisung eines Flüchtlings endgültig entschieden werde.

Vor Ort weiß man besser, wer integriert ist

„Vor Ort weiß man mehr als in Akten steht“, sagt Pavel, vor allem, wie gut sich die Betreffenden in das Gemeinwesen integriert hätten. Abgeschoben werden könnten schließlich nur diejenigen, die auch greifbar seien. Straffällige, die auf ihren Prozess warten, gegen eine Verurteilung Rechtsmittel eingelegt hätten oder ganz einfach untergetaucht seien, können nicht abgeschoben werden. „Dann greift man die rechtschaffenen Leute, die mitten in der Gesellschaft sind“, kritisiert Pavel die gängige Praxis. So auch im Fall eines nigerianischen Flüchtlings, der seit vorigen Sommer bei der freiwilligen Feuerwehr in Schwäbisch Gmünd aktiv ist und zurzeit Altenpflegehelfer lernt.

Sein Asylantrag wurde vor gut zwei Wochen abgelehnt. Hätte er sich für eine drei Jahre dauernde Lehre entschieden, stünden seine Chancen gut, eine Duldung zu erreichen, um wenigstens die Ausbildung abschließen und danach noch zwei Jahre in Deutschland arbeiten zu dürfen. Doch die zweijährige Altenpflegerhelfer-Lehre gilt nicht als qualifizierte Ausbildung und wird deshalb nicht anerkannt.

Altenpflegehelfer? Nicht qualifiziert genug

„Juristisch korrekt, menschlich unanständig“

„Dabei brauchen wir Altenpflegehelfer“, sagt Arnold. „Das ist juristisch korrekt, aber menschlich völlig unanständig“ und „ökonomisch eine granatenmäßige Verschwendung“. So habe man menschlich und finanziell viel in die Integration und Ausbildung dieser Menschen investiert und schicke sie dann wieder außer Landes. Unter den Bundesländern sei ein Wettbewerb um Abschiebezahlen ausgebrochen, schimpft Arnold. „Es geht nur noch um Vorgänge, nicht mehr um Menschen.“ Gemeinsam mit seinem Tübinger Kollegen Boris Palmer (Grüne) wirbt Arnold für eine sogenannte Einwanderungsampel. Diese soll denjenigen einen schnellen Spurwechsel vom Asylbewerber zum Einwanderer ermöglichen, die die Sprache lernen und es schaffen, dauerhaft Arbeit zu finden. Diesen Flüchtlingen müsse ein uneingeschränktes Aufenthaltsrecht gewährt werden. Das Asylrecht wäre diesem Modell zufolge als reine Nothilfe ein zeitlich befristeter Schutz vor Gefahr für Leib und Leben im Heimatland.

Allein im Januar wurden 390 Flüchtlinge abgeschoben

Nach Angaben des Innenministeriums wurden 2016 im Land 3308 Asylbewerber abgeschoben. 32 947 Flüchtlinge haben 2016 in Baden-Württemberg einen Asylantrag gestellt und sind hier geblieben, um das Verfahren abzuwarten. Allein im Januar 2017 wurden bereits 390 abgelehnte Asylbewerber abgeschoben. Die Härtefallkommission des Landes, an die sich abgelehnte Asylbewerber wenden können, hat sich 2016 mit 451 Anträgen befasst. Nur in 36 Fällen entschied sie zugunsten des Antragstellers.