OB-Wahl in Stuttgart Nopper profitierte von zersplittertem gegnerischem Lager

Frank Nopper (CDU) hat die Mehrzahl der Wähler bei der OB-Wahl im November 2020 von sich überzeugen können. Seine Parteizugehörigkeit spielte eine untergeordnete Rolle. Foto: Lg/Max Kovalenko

Die Wahlnachlese des Statistischen Amts zeigt: Die Persönlichkeit des CDU-Bewerbers gab den Ausschlag für den Wahlsieg. Die Parteizugehörigkeit der Kandidaten ist für die Wählerinnen und Wähler dagegen kaum noch von Belang.

Stuttgart - Ist Stuttgart politisch gesehen nun schwarz oder grün? Diese Frage lässt sich vor dem Hintergrund der im letzten halben Jahr über die Bühne gegangenen Wahlen – der OB-Wahl und der Landtagswahl – eindeutig beantworten. In der Stadt gibt es, das zeigt das Resultat der Landtagswahl, weiterhin eine strukturelle ökosoziale politische Mehrheit. Dass Frank Nopper beim entscheidenden Durchgang der OB-Wahl im November 2020 trotzdem die meisten Wählerstimmen hinter sich bringen konnte, lag vor allem an zwei Faktoren: der Zersplitterung des ökosozialen Lagers und der für die meisten Wähler entscheidenden Wahrnehmung der persönlichen Eignung der Kandidaten. Das zeigt die vom Statistischen Amt der Stadt herausgegebene Analyse der OB-Wahl, deren zentrale Ergebnisse wir hier vorstellen.

 

Welche Rolle spielte die Parteizugehörigkeit?

Die Untersuchung befasst sich schwerpunktmäßig mit dem zweiten Durchgang der Wahl, der sogenannten Neuwahl vom 29. November, rekurriert zum Teil auch auf die Umfrage des Hohenheimer Kommunikationswissenschaftlers Frank Brettschneider vor dem entscheidenden Wahlgang. Für 72 Prozent (Brettschneider-Umfrage) beziehungsweise 87 Prozent (Umfrage des Statistischen Amts) war demnach die Person der Kandidaten ausschlaggebend für ihr Stimmverhalten. Die jeweilige Parteizugehörigkeit ist in den Hintergrund gerückt: Im Vergleich zur Wahl 2012 (22 Prozent) gaben diesmal nur 13 Prozent der insgesamt 900 befragten Wählerinnen und Wähler die Parteizugehörigkeit der Bewerber als entscheidendes Kriterium an. Die Persönlichkeit der Bewerber war also ausschlaggebend für das Wahlergebnis.

Wer wurde von den Wählern wie bewertet?

Nach dem Rückzug der von den Grünen nominierten Bewerberin Veronika Kienzle, die im ersten Wahlgang deutlich hinter Nopper (31,8 Prozent) mit 17,2 Prozent auf Rang zwei gelandet war, ergab sich ein Dreikampf zwischen Nopper, dem Einzelbewerber mit SPD-Parteibuch, Marian Schreier, und dem SÖS-Stadtrat Hannes Rockenbauch, dem allerdings nach Platz vier in der ersten Runde mit einem Ergebnis von 14 Prozent nur Außenseiterchancen zugebilligt wurden. Die höchste Bewertung der verbliebenen Bewerber erzielte dabei Schreier (58 von 100 Punkten), knapp gefolgt von Nopper (56 Punkte). Rockenbauch landete mit 39 Punkten abgeschlagen auf Rang drei. Bei der Befragung jener Wähler, die zu einem der Bewerber tendierten, ergibt sich ein anderes Bild: Dabei landete Nopper mit 86 Punkten vor Rockenbauch (81 Punkte) und Schreier (77 Punkte). In den abgefragten Kategorien (menschlich sympathisch, vertrauenswürdig, bürgernah, gutes Konzept für Stuttgart) lag der heutige OB jeweils klar vor seinen Konkurrenten, Schreier hatte lediglich in der Sparte „unabhängig“ die Nase vor, Rockenbauch wurde zugebilligt, dass er Stuttgart von allen Bewerbern am besten kenne.

Wohin wanderten die Wähler?

Bemerkenswert ist zunächst einmal die Wählertreue bei Schreier und Nopper: 95 beziehungsweise 94 Prozent ihrer Wähler aus dem ersten Wahlgang blieben auch im zweiten Durchgang bei der Stange, bei Rockenbauch waren es lediglich 67 Prozent. Die Untersuchung zeigt auch, dass vor allem Schreier erhebliche Zuwächse aus dem Lager der vormaligen Kienzle-Wähler verbuchen konnte: 54 Prozent ihrer Anhänger aus der ersten Runde gaben Schreier bei der Neuwahl ihre Stimme, nur 31 Prozent entschieden sich für Rockenbauch. Auch aus dem Lager der Nichtwähler verbuchte Schreier 41 Prozent, Rockenbauch nur 21 Prozent. Nopper dagegen sammelte 42 Prozent jener Wähler ein, die für den AfD-Bewerber Malte Kaufmann (2,2 Prozent) votiert hatten, und 26 Prozent aus dem Lager des ebenfalls ausgeschiedenen SPD-Kandidaten Martin Körner (9,8 Prozent). Auch viele Anhänger des Einzelkandidaten Sebastian Reutter, der auf vier Prozent gekommen war, liefen zu Nopper über.

Wie setzen sich die Wählerklientel zusammen?

Für Nopper votierten vor allem ältere Wähler: 70 Prozent der über 70-Jährigen und 44 Prozent der über 60-Jährigen gaben dem CDU-Bewerber ihre Stimme. Er wurde überwiegend von Männern (54 Prozent) gewählt und erhielt auch von Gewerkschaftsmitgliedern mit 37 Prozent ein höheres Votum als die Konkurrenten Rockenbauch (33 Prozent) und Schreier (30 Prozent). Bei wirtschaftlich gut situierten Bürgern kam Nopper mit 47 Prozent ebenfalls besser an als seine Mitbewerber. Marian Schreier lag nur in der Wählergruppe, die ihre Einkommensverhältnisse als sehr gut einstuft, knapp vor Nopper. Schreier-Wähler waren im Schnitt zwischen 16 und 35 Jahre alt, darunter viele Studenten und Schüler, er wurde sowohl von Frauen als auch von Männern zu gleichen Teilen favorisiert. Hannes Rockenbauch wiederum wurde überwiegend von Frauen (57 Prozent) gewählt, seine Wählerschaft zieht sich durch alle Altersstrukturen mit stark abnehmender Tendenz in den älteren Jahrgängen 70 plus. Vor allem Wählerinnen und Wähler, die ihre eigene wirtschaftliche Situation als schlecht charakterisieren, fühlten sich von ihm angesprochen.

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