Bei der Oberbürgermeisterwahl spielt Stuttgart 21 weiter eine Rolle, aber auch die Partei und die Wirtschaftskompetenz der Kandidaten. Wir haben uns vor einem Wahllokal umgehört.

Stuttgart - Die Stimmung vor dem Wahllokal im Haus Morgenstern an der Gänsheidestraße ist überwiegend hoffnungsvoll. Die Wähler, die kurz vor dem Mittagessen ihr Kreuzchen gemacht haben, setzen auf ihren Kandidaten und haben eine klare Meinung. Die einen wählen Grün, weil sie sich Impulse von einer grünen Doppelspitze im Land Baden-Württemberg und in der Landeshauptstadt erhoffen. Die anderen wählen den parteilosen Sebastian Turner, der von CDU, FDP und Freien Wählern unterstützt wird, um eben diese Doppelspitze zu vermeiden.

 

Wirtschaftskompetenz als Kriterium

So auch Christian Lehmann: „Ich habe Turner gewählt, weil wir nicht zu viel grün haben wollen.“ Kuhn habe auch noch einen weiteren Nachteil: schließlich könne er keine langfristige Politik machen, da er nur eine Amtsperiode regieren könne. Auch die Tatsache, dass Kuhn ein „Parteifuzzi“ sei, habe Lehmann weniger gefallen. Dem Grünen schreibt er zudem weniger Wirtschaftskompetenz zu als seinem Konkurrenten Turner. Das Thema Stuttgart 21 war für ihn weniger ausschlaggebend: „Ich war schon immer für den Tiefbahnhof.“

Für Stuttgart 21 ist auch Benjamin July, doch der junge Mann hat keinen von den beiden Großen gewählt. „Mein Kandidat ist Erfinder, das ist was Cooles“, meint July. Der müsse etwas im Kopf haben. Der Mann habe ihm spontan zugesagt, er sei „irgendwie anti“. Aber Fritz Kuhn hätte er sowieso nicht gewählt, fügt July hinzu.

Schwierigkeiten, Unterschiede auszumachen

Das sieht Sabine Ilfrich ganz anders: „Ich habe Fritz Kuhn gewählt, weil ich den grünen Standpunkten näher bin.“ Diese Entscheidung entspreche noch am ehesten ihrer politischen Gesamthaltung. Zwischen den Kandidaten sah Ilfrich „nicht so sehr einen vehementen Unterschied“. Den Wahlkampf hat sie verfolgt, war auf einer Infoveranstaltung und hat regelmäßig die Stuttgarter Zeitung gelesen. Zu Mittag wollte sie sich allerdings nicht festlegen, wer am Ende das Rennen macht: „Es ist offen, das wird knapp.“

Harald Brekle hofft, dass nach dem Bundesland nun auch die Landeshauptstadt an die Grünen geht. Für Brekle war von vornherein klar, wem er bei der Oberbürgermeisterwahl seine Stimme gibt. Im Wahlkampf habe sich seine Meinung nur noch manifestiert: „Was Turner zu sagen hatte, haben wir doch schon 150-mal gehört“, sagt Brekle. Die Themen Kultur, Bildung, Wohnraum und auch Stuttgart 21 waren für ihn entscheidend. Das umstrittene Projekt sieht er lieber kritisch begleitet als vorangepeitscht.

Der OB als Gegengewicht zur Landesregierung?

Kritik hat auch Inge Meister sofort parat: „Oben auf dem Wahlzettel steht Turner, das ist wieder typisch für Stuttgart.“ Sie ist überzeugt, dass jetzt Veränderung angesagt sei. Schließlich hätten die Grünen in den vergangenen Jahren wichtige Impulse gegeben. Zeit hatte Meister nicht für den Wahlkampf: „Ich habe nur gehört, dass Angela Merkel kam“, sagt sie und berichtet noch von einem Turner-Wahlplakat, das sie witzig fand: denn irgendjemand hat einen Aufkleber mit „Kino“ auf den Mund des abgebildeten Kandidaten befestigt.

Waltraud Johler hat sich für Sebastian Turner entschieden: „Es reicht, wenn wir einen grünen Landesvater haben, dann brauchen wir nicht noch einen grünen Stadthäuptling.“ Ihrer Meinung nach bremsen die Grünen zu sehr. Der neue Oberbürgermeister sollte eher ein Gegengewicht zur Landesregierung sein. Für Waltraud Johler sind die Themen Stadtentwicklung, Verkehrsentlastung und Schulwesen wichtig. Aber trotz ihrer Entscheidung für Turner rechnet sie damit, dass Kuhn neuer Oberbürgermeister wird.