Die Lage bei Werzalit hat sich zugespitzt. Nachdem 50 Mitarbeitern am Samstag gekündigt worden war, kam es diesen Montag vor dem Werk zu Handgreiflichkeiten.

Oberstenfeld - Die Lage bei Werzalit in Oberstenfeld hat sich zugespitzt: Jüngst hatten mehr als 60 Arbeitnehmer vor dem Arbeitsgericht gegen die Firma gewonnen und ihre Weiterbeschäftigung erwirkt; am Samstag flatterte bei 50  von ihnen die Kündigung zum 1. Juni ins Haus.

 

Dramatische Szenen spielten sich daraufhin am Montag zwischen 5 und 7 Uhr vor dem Werkstor der Firma ab, die mit ihren Holzbauelementen über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt ist. Es soll zu Handgreiflichkeiten zwischen arbeitswilligen Arbeitnehmern und Kräften am Pförtnerhaus gekommen sein. „Jemand von uns ist angegangen worden, er hat Anzeige wegen Körperverletzung erstattet“, berichtete der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Jan-Willem Riezebos. Er und seine 49 Kollegen sollten nach der fristlosen Kündigung einen neuen Vertrag bei der Clarus Logistik Fertigung unterschreiben.

Die Mitarbeiter sind schockiert

Das ist eines der mehr als zwölf kleinen Unternehmen, auf die der Werksinhaber Jochen Werz seit 2010 seine rund 250 Mitarbeiter verteilt hat. Das Angebot, durch eine schnelle Unterschrift die Angst vor der Arbeitslosigkeit los zu sein und ohne Betriebsrat und andere Arbeitnehmerrechte weiter auf dem Werzalit-Gelände zu arbeiten, erinnert stark an das Outsourcing, das die Ludwigsburger Kammer des Arbeitsgerichts Stuttgart kürzlich für ungültig erklärt hat. Das Gericht hielt den Betriebsübergang in die Fertigungsgesellschaft Holz Kunststoff (FHK) für nichtig, weil das Unternehmen nach außen nicht eigenständig agiert hatte. Gefertigt wurden weiterhin ausschließlich Werzalit-Produkte.

Die kurzfristige Kündigung jetzt hat die Mitarbeiter schockiert. Sie glaubten sich im Recht und waren von einer Weiterbeschäftigung ausgegangen. Der Firmenchef Jochen Werz stand am frühen Montagmorgen vor den Entlassenen und offerierte ihnen einen Vertrag bei Clarus. Das Unternehmen bietet auf dem Werzalit-Gelände unter anderem Jobs in der Logistik und der Tischplattenproduktion an. Den Betriebsräten der FHK untersagte er, ihre Büros zu betreten. „Wir werden behandelt wie Abfall“, sagte Jan-Willem Riezebos, nach dessen Ansicht der Betriebsrat seine Arbeit nach dem Ludwigsburger Gerichtsurteil wieder aufnehmen kann. Noch bis heute treten die Entlassenen auf Empfehlung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) vor das Werkstor, um ihre Arbeit offiziell anzubieten. Gestern versammelten sich gegen 14 Uhr rund 150  Menschen, darunter viele Angehörige der Arbeitslosen.

Die Entlassenen bieten vor dem Werktor ihre Arbeit an

Als erniedrigendes Szenario einer Zeit, „die wir längst überwunden glaubten“, betrachtet der Gewerkschaftssekretär Thomas Martin von der IG Metall der Region Stuttgart die Vorgänge am Werzalit-Werkstor. „Die Clarus Unternehmensgesellschaft ist nur eine neue Blase, um die Arbeitnehmer leichter auszubooten“, sagte er und warf Werz vor, bewusst eine Unternehmensform zu wählen, die in Europa für Start-ups vorgesehen sei. „Clarus hat nur ein Eigenkapital von 1000 Euro – mit einer derart lächerlichen Summe können keinerlei Abfindungen bezahlt werden.“

Mit seinem Angebot wolle er den Mitarbeitern eine Brücke bauen, sagt Werz. Es sei eine Übergangslösung, bis das Gerichtsverfahren endgültig entschieden sei. Er ist zuversichtlich, dass er die Berufung gegen das FHK-Urteil gewinnt. Bei Clarus würden die Mitarbeiter zu gleichen Konditionen wie bei der FHK arbeiten, verspricht er. Generell könne er mit den ausgelagerten Firmen die Produktion flexibler gestalten. Werz verweist auf Bosch. Der Konzern habe seine Elektrogeräte- und Verpackungssparte auch in Gesellschaften mit beschränkter Haftung überführt.