Die Einrichtung an der Uhlbacher/Heidelbeerstraße kann ohne Personal keine Kinder aufnehmen.

Obertürkheim - Wenn Colin auf der Dachterrasse seiner Eltern spielt, kann er die Kita in der Uhlbacher Straße beinahe sehen. Das Haus in der Mirabellenstraße ist nur wenige Schritte von der Einrichtung entfernt. Lediglich ein paar Bäume versperren die Sicht. Doch auch wenn Colin in diesem Monat schon drei Jahre alt wird, in die Kita geht er nicht.

 

Nicht etwa, weil sich seine Mutter Marina Klink dazu entschieden hätte, Colin und seine jüngere Schwester Celina zu Hause zu betreuen; die 28-Jährige sucht seit Jahren nach einem Betreuungsplatz. Marina Klink ist berufstätig. An zweieinhalb Tagen in der Woche arbeitet sie am Empfang eines Möbelhauses. „Ich würde gerne mehr arbeiten“, sagt die Mutter. Aber schon jetzt ist die Betreuung der Kinder eine organisatorische Höchstleistung. An einem Tag übernehmen die Schwiegereltern. Sie wohnen im gleichen Haus. Am zweiten Tag fährt sie die Kinder nach Kornwestheim zu ihrer eigenen Mutter. Am dritten Tag bleibt bislang der Papa zuhause. Er hat sich mit seinem Chef darauf geeinigt, dass er an vier Tagen in der Woche mehr arbeitet und dafür einen Tag frei bekommt. Eine Übergangslösung, die bald vorbei sein muss. Wie es dann weitergeht, weiß Marina Klink nicht.

Ein Kita-Platz in Obertürkheim ist nicht in Sicht. Die Stadt habe ihr eine Liste mit Einrichtungen gegeben, erzählt sie. Der einzige freie Platz sei in Bad Cannstatt gewesen. In einer deutsch-russischen Einrichtung, deren Internetseite auf Kyrillisch war. Marina Klink lehnte ab. „Es läuft schon seit längerer Zeit etwas schief“, sagt sie. An diesem Nachmittag hat sie sich mit zwei anderen Müttern aus dem Ort auf der Dachterrasse getroffen. Die drei Frauen eint dasselbe Schicksal. Sie würden gerne mehr arbeiten, warten jedoch seit Jahren auf einen Kita-Platz. Umso empörter waren die Mütter, als sie hörten, dass die städtische Einrichtung Uhlbacher/Heidelbeerstraße im kommenden Kita-Jahr angeblich keine neuen Kinder aufnimmt.

Eltern warten auf Personal

Der Personalmangel ist Schuld, sagt der stellvertretende Jugendamtsleiter Heinrich Korn. Ohne Erzieher gehe es nicht. Die Einrichtung werde aber trotzdem Plätze für das kommende Kita-Jahr vergeben. Eltern, die einen solchen Platz ergattern, müssen allerdings warten, bis das Personal gefunden ist. Die drei Mütter halten das für eine wenig praktikable Lösung. Schließlich könne man nicht zu seinem Arbeitgeber sagen: „Ich sage Ihnen dann spontan Bescheid, wann ich wieder arbeiten kann.“ Überhaupt finden die Frauen, dass die Vergabepraxis oft wenig mit der Lebenswirklichkeit der Mütter zu tun habe. „Ich denke, dass die Einrichtungen nicht wirklich danach schauen, ob eine Frau berufstätig ist“, sagt eine Mutter. Korn betont zwar, dass der Kita-Platz-Mangel in Obertürkheim nicht schlimmer als in einigen anderen Bezirken sei. Er räumt aber auch ein, dass im Bezirk 26 Prozent der Plätze fehlen, wenn man von einer Bedarfsdeckung von 60 Prozent ausgehe.

Ein Zustand, der sich langfristig nicht nur nachteilig auf den beruflichen Werdegang der Mütter, sondern auch auf das Leben im Bezirk auswirken könnte. Marina Klink hat für ihren Sohn neuerdings einen Platz in Stuttgart-Hofen. Während sie noch überlegt, ob eine halbe Stunde Fahrzeit zur Kita organisatorisch machbar ist, haben die beiden anderen Mütter sofort zugegriffen, als ihnen zwei Plätze in Hedelfingen angeboten wurden. Ihre Kinder werden also in Zukunft eine Kita im Nachbarbezirk besuchen. Eine der Mütter hat auch gleich noch eine Tagesmutter für ihre jüngere Tochter in Hedelfingen gefunden.

Die Familie wird künftig also vermutlich mehr Zeit im Nachbarort als in Obertürkheim verbringen, dort einkaufen, zur Apotheke und zum Arzt gehen. Hinzu kommt, dass Hedelfingen auch nicht über ein Überangebot an Kita-Plätzen verfügt. Im Gegenteil, laut Korn ist der Mangel dort mit 42 Prozent noch größer. Eine der Mütter gibt zu bedenken, dass sich die Hedelfinger Eltern vielleicht nicht unbedingt über die Kinder aus Obertürkheim freuen.