Wer Ruhe und Abgeschiedenheit sucht, ist in Osttirol richtig. Die Orte Obertilliach und Innervillgraten setzen auf sanften Tourismus. Auf Sport muss man dennoch nicht verzichten.

Nein, diese Orte machen es einem nicht leicht, sich ihre Namen zu merken. Innervillgraten und Obertilliach sind nicht wirklich einprägsam. Dafür aber sind die Eindrücke, die der Urlauber gewinnt, umso nachhaltiger. Statt krawalligem Skizirkus findet man hier die beschauliche, noch weitgehend ursprüngliche Atmosphäre von Bergdörfern. In Obertilliach im Lesachtal, einem sogenannten Haufendorf, stehen die alten Holzhäuser so nah beieinander, dass sich die Dächer berühren. Klar, dass sich hier Einheimische und Urlauber schnell näherkommen, besonders im denkmalgeschützten Gasthaus Unterwöger. Wirt Sepp Lugger ist ein profunder Kenner der Ortsgeschichte. „In unserem Dorf, das schon im Jahr 600 gegründet wurde“, erzählt Lugger mit Stolz, „stehen die Häuser so dicht beisammen, weil es Schutz versprach.“ Was allerdings nicht für Brände galt, deshalb gebe es bis heute einen Nachtwächter. Der sieht zu später Stunde im alten Ortskern nach dem Rechten. Helmut Egartner ist der einzige Vertreter seiner Zunft in Österreich. Ganz in schwarzem Loden mit Hut und Hellebarde, für die er einen Waffenschein braucht, stapft er durch den Schnee, meist in Begleitung von Urlaubern, die er mit Geschichten aus seinem Dorf unterhält. Obertilliach sei schon als Filmkulisse zu Ehren gekommen. „Hier hat der Hansi Hinterseer gestanden“, erinnert sich der Nachtwächter und zeigt auf ein altes Kornhaus.

 

Gemütlich wird’s nach dem Rundgang in der warmen Stube des Gasthofes. Dann setzt sich auch Sepp Lugger gern dazu und erzählt, dass der Ort seine Seele bis heute nicht verloren habe und es heute noch 80 Höfe gebe. „Im Winter arbeiten unsere Bauern dann eben an den Loipen und Pisten.“ In Obertilliach gibt es ein kleines, familienfreundliches Skigebiet direkt am Ortsrand, und auf der Grenzlandloipe kann man durch das ganze Tal bis nach Kärnten gleiten. Schnee ist im Lesach- und im sich anschließenden Gailtal ab November relativ sicher. Das ist zwei Täler weiter, in Innervillgraten, etwas anders. Hier hat man sich entschieden, ausschließlich auf naturnahen Tourismus zu setzen. Wer Ruhe und Abgeschiedenheit liebt, ist im Villgratental richtig - und auf Sport muss man auch nicht verzichten. „80 Prozent unserer Gäste sind Skitourengeher“, informiert Ossi Fürhapter, der Geschäftsführer der Tourismusinformation. Die Hinweistafeln für Wanderer dienten als Orientierung, man solle aber nicht ohne kundige Führer zu einer Tour aufbrechen, rät Fürhapter. Statt mit Liften schleppt man sich mit eigener Kraft auf Skiern etwa zum Gaishörndl hinauf. Die Aussicht auf das Bergpanorama entschädigt für die Mühen.

Durch den Tiefschnee zu den Schlipfkrapfen

Abwärts geht’s schneller. Durch den Tiefschnee schwingt man zur Badlalm, zu Schlipfkrapfen, der Osttiroler Variante der Ravioli, und Knödeln. „Ich habe mal eine Saison versucht, ein Abendprogramm auf die Beine zu stellen“, so Fürhapter, „aber das wollten die Urlauber gar nicht.“ Die seien mit dem kulinarischen Angebot der Gasthöfe des Tals vollauf zufrieden. Übrigens, wer es weniger anstrengend mag, findet in den Tälern rund um Innervillgraten und Obertilliach zudem ein viele Kilometer großes Netz an geräumten Winterwanderwegen. Auch hier ist kein Hochbetrieb zu befürchten. Oder man gönnt sich eine Pferdeschlittenfahrt von Außervillgraten durch das Winkeltal mit seinen Almhütten zur Reiterstub’n - romantisch! Osttirol ist anders als der Tiroler Norden und der Süden, ursprünglicher und stiller. Die Region zwischen den Hohen Tauern und den Karnischen Alpen liegt abseits der großen Alpenstraßen.

Hauptort ist Lienz am Zusammenfluss von Isel und Drau. Die Sonnenwanderwege gleich oberhalb des Ortes tragen ihren Namen zu Recht. Wenn im Tiroler Norden schlechtes Wetter herrscht, scheint hier nicht selten die Sonne. Immer das grandiose Panorama der gegenüber aufragenden Lienzer Dolomiten im Blick, folgt man nur zu gerne dem Sonnensymbol. Auch die Aussicht auf eine Brotzeit mit Verkostung in einer der ältesten Brennereien Osttirols mag die Wanderer beflügeln. Auf der Sonnenseite des Tals, in Dölsach, wird auf dem Kuenzhof schon seit 400 Jahren eigenes Obst zu preisgekrönten Destillaten verarbeitet. Unbedingt probieren müsse man einen „Tell“, meint Hermann Kuenz, „eben einen Schuss in den Apfel.“ Die Zuhörer wundern sich kurz, dann serviert seine Frau Martina heißen, sortenreinen Apfelsaft, den ihr Mann mit einem Spezialbrand verfeinert. Ach ja, Ski fahren kann man in Osttirol natürlich auch.