In Hotels nur für Erwachsene haben wir Kinderhasser erwartet und entspannte Eltern gefunden.

Leben: Susanne Hamann (sur)

Sie sind bezaubernd, die beiden Töchter. Acht und fünf Jahre alt, zwei aufgeweckte Mädchen, deren Mundwerk keine Sekunde stillzustehen scheint. Von früh bis spät wird diskutiert – über die Wahl der Kleidung oder des Essens, bei den Hausaufgaben, ob die Haare gewaschen werden müssen oder nicht, wie viel ferngesehen werden darf, wann Schlafenszeit ist. Kann man es Eltern da übelnehmen, wenn sie sich ab und zu einfach mal ein paar Tage Ruhe wünschen? Abschalten, ausspannen, erholen. Ohne Stress, ohne die Kinder. Nun können sie bei solchen Gelegenheiten Hotels buchen, in denen auch garantiert kein anderes Kind eingecheckt hat.

 

Hotelier Karl C. Reiter aus Achenkirch in Tirol etwa stellte sein Haus Anfang des Jahres auf „Nur Erwachsene“-Betrieb um. Das Posthotel hat als Fünf-Sterne-Wellnesshotel einen guten Ruf in der Alpenrepublik. Bis vor kurzem war es auch bei Familien sehr beliebt. Eltern schätzten die kindgerechte Ausstattung auf den Zimmern, die Betreuung im Kinderclub, den Babypool mit Rutsche in Form eines Elefanten. Im Planschbecken für die Kleinen ist zwar noch immer Wasser eingelassen, gebadet hat dort seit Januar aber kein Kind mehr unter 14 Jahren. „Wir haben schon lange gemerkt, dass die Bedürfnisse unserer Gäste auseinandergegangen sind“, sagt Karl C. Reiter, ein schlaksiger Jungspund mit wallendem Blondhaar, der jünger aussieht, als seine 33 Jahre vermuten lassen.

Weil die einen Gäste ihre Ruhe wollten, die anderen aber die Kinder in Ruhe toben lassen, versuchte der Hotelier zunächst, mit verschiedenen Zonen und Zeiten dem Problem Herr zu werden: „Doch am Schluss war zu viel Kompromiss. Dafür sind wir nicht berühmt.“ Also fällte der junge Chef, der den Familienbetrieb mit 150 Zimmern seit 2004 führt, eine folgenreiche Entscheidung: keine Kinder mehr. Es sei ihm nicht leichtgefallen, passe aber zur Tradition des Hauses: „Die Post war früher eine Station an der alten Handelsstrecke von Süddeutschland nach Innsbruck. Ein Ort der Rast, an dem die Leute zur Ruhe gekommen sind.“

Beleidigte Gäste reagierten mit negativen Bewertungen im Internet

Gäste mit Nachwuchs verweist er seither an das ebenfalls zur Familie Reiter gehörende Avance, ein Luxus-Kinderhotel im Burgenland. Dummerweise liegt es 500 Kilometer vom Achensee entfernt. „Das ist für uns keine Alternative“, sagt Posthotel-Stammgast Stefan Lendl aus Stuttgart. Jahrelang fuhr der 44-Jährige mit Gattin und den beiden Kindern nach Achenkirch, feierte manch runden Geburtstag im Hotel der Reiters. Ihren Urlaub wird die Stuttgarter Familie auch künftig in Tirol verbringen – nur eben in einem anderen Haus. „Ganz in der Nähe gibt es zwei andere Kinderhotels“, hat Stefan Lendl herausgefunden. Er nennt das neue Konzept „ärgerlich“, möchte aber dennoch weiterhin dem Posthotel treu bleiben: „Einen schönen Urlaub allein mit meiner Frau kann ich mir auf jeden Fall dort vorstellen. Der Wellnessbereich ist wirklich toll.“

Bei anderen Stammgästen sorgte die neue Politik des Hauses für noch mehr Verdruss. Sie fühlen sich ausgeschlossen, beschwerten sich per E-Mail oder Brief, verfassten negative Eintragungen in Internetforen und Hotelbewertungsportalen wie Holidaycheck. „Unfair“ findet das Karl C. Reiter und kommentiert stoisch jede kritische Anmerkung.

Seite 2: "Der Aufruhr war unglaublich."

Roland Ballner vom Hotel Cortisen erging es vor fünf Jahren noch schlimmer. Der Hotelier aus St. Wolfgang entschied sich 2006, seine 32 Zimmer nur noch an Erwachsene zu vergeben. „Der Aufruhr war unglaublich“, erzählt der 44-Jährige. „Bild“-Zeitung und TV-Sender fielen über den „bösen Ösi“ und „Kinderfeind“ her. Die Gäste jedoch reagierten begeistert. „Wir haben seither die Auslastung um 20 Prozent gesteigert“, sagt Roland Ballner. Auch sei sein Haus nicht, wie viele prophezeit haben, zum „Altersheim“ geworden: „Das Durchschnittsalter der Gäste wurde um 15 Jahre gesenkt. In erster Linie kommen Eltern zu uns, die heilfroh sind, wenn sie mal keine Kinder sehen müssen.“ Und im Übrigen sei er kein Kinderhasser.

Auch Karl C. Reiter hat persönlich nichts gegen Kinder einzuwenden: „Im Gegenteil: Ich liebe Kinder. Meine Freundin ist schwanger, das Baby kommt im Dezember – ein Mädchen“, erzählt der 33-Jährige stolz. Gleichwohl steht er zu seinem Konzept. „Unser Haus ist mehr auf Romantik ausgelegt. Das ist für uns der bessere Weg. Die meisten Gäste sehen das genauso.“
Tatsächlich findet sich im Posthotel kein Gast, der das Kinderfrei-Konzept grundweg schlecht findet. Im gut besuchten und dennoch auffällig ruhigen Haus tummeln sich Freundinnen im Wellness-Wochenende, junge Pärchen, ältere Paare. „Wir sind zum fünften Mal da und finden es schön, dass keine Kinder mehr erlaubt sind“, erzählt der Schweizer Kurt Flury. Vor allem „ungezogene Kinder“, die mit Tauchausrüstung das Schwimmbad enterten, hätten ihn und seine Frau früher sehr gestört, sagt der 58-Jährige aus Solothurn. „Was sollen Kinder in einem Fünf-Sterne-Haus? Wenn wir mit unserem dreijährigen Enkel verreisen möchten, fahren wir lieber in ein weniger anspruchsvolles Haus ins Zillertal, oder?“ Eine junge Frau, die nicht genannt werden möchte, vertritt dieselbe Meinung: „Ich habe selbst zwei Söhne und liebe sie heiß und innig. Aber viele andere Kinder gehen mir total auf die Nerven. Hier sind mein Mann und ich sicher vor solchen Nervensägen.“

Kinder verdienen besondere Aufmerksamkeit

Andere beurteilen das Konzept nicht so positiv. Stefanie Heckel etwa, Pressesprecherin des Deutschen Hotellerie- und Gaststättenverbandes, ist entsetzt: „Kinder sind unsere Zukunft. Sie verdienen unsere besondere Aufmerksamkeit.“ In Deutschland seien ihr vergleichbare Häuser nicht bekannt. Im Gegenteil. Immer mehr Betriebe würden sich gerade auf Kinder ausrichten. „Gefällt es den Kindern in unseren Betrieben, können auch deren Eltern oder Großeltern den Restaurant- oder Hotelbesuch noch mehr genießen.“

Nina Kreke, Pressesprecherin von Thomas Cook, sieht in der zunehmenden Spezialisierung jedoch einen klaren Trend in der Reisebranche: „Über neue Medien und soziale Netzwerke bekommt man immer mehr Feedback. Dem wird Rechnung getragen, indem man Zielgruppen immer genauer betrachtet.“ So könnten die Unternehmen ihre Investitionen entsprechend ausrichten. Zur Freude mancher Eltern, die ihren Urlaub – zumindest ab und zu – lieber allein genießen und sich danach umso mehr auf die Kinder freuen.

Achensee

Anreise
Der Achensee liegt im österreichischen Bundesland Tirol, nur wenige Kilometer hinter der Grenze zu Deutschland. Man erreicht Achenkirch am besten mit dem Auto, etwa via München und den Tegernsee. Nächstgelegener Bahnhof ist Jenbach (zwischen Innsbruck und Kufstein), ab da weiter mit dem Linienbus.

Hotels nur für Erwachsene
Wer in Reiter’s Posthotel in Achenkirch absteigen möchte, muss mindestens 14 Jahre alt sein. Ein Zimmer in dem Tiroler Fünf-Sterne-Haus kostet ab 119 Euro pro Person (www.posthotel.at).

Das Boutique-Hotel Cortisen am Wolfgangsee im Salzkammergut war 2006 das erste Haus in Österreich mit No-Kids-Konzept. Preis: ab 118 Euro (www.cortisen.at).

Ein „Verwöhnhotel für urlaubsreife Paare“ möchte das Hotel Goies in der Urlaubsregion Serfaus-FissLadis. Das Vier-Sterne-Haus in Tirol nimmt nur Gäste über zwölf Jahren auf (ab 98 Euro pro Person im Doppelzimmer, www.goies.at).

Zweisamkeit wird auch im Genießer- und Kuschelhotel Gams (vier Sterne superior) in Bezau im Bregenzer Wald großgeschrieben. Preis je nach Aufenthaltsdauer ab 99 Euro pro Person im Doppelzimmer, Kuschelsuiten mit offenem Kamin ab 147 Euro, www.hotel-gams.at.

Auch Reiseveranstalter haben spezielle „Adults only“-Häuser im Programm. Bei Thomas Cook zum Beispiel kann man 27 entsprechende Hotels buchen. Sie sind in den Katalogen mit einem hellblauen Button und der Aufschrift „Urlaub ohne Kinder“ gekennzeichnet. Die Mehrzahl der Hotels findet sich in Spanien und der Karibik (www.thomascook.de).

Hotels speziell für Kinder
Speziell an Familien mit Kindern richten sich die sogenannten Kinderhotels. Unter diesem Namen hat sich eine ganze Reihe von Betrieben in Deutschland, Österreich, Südtirol und Kroatien zusammengeschlossen. Informationen und Katalogbestellung unter www.kinderhotels.com.

Weitere 60 familienfreundliche Hotels in der Schweiz und in Deutschland gehören zur Kooperation Familotels (www.familotel.com).