Vier Jahre nach der Nullnummer in Sotschi gelingt Francesco Friedrich und Nico Walther ein Doppelsieg im Viererbob. Gesamtweltcupsieger Johannes Lochner enttäuscht. Die deutsche Bilanz fällt insgesamt stark aus – und lässt das Debakel von Sotschi vergessen.

Pyeongchang - Wer die Emotionen und Jubelschreie verstehen will, die an diesem sonnigen Morgen aus Francesco Friedrich herausbrachen wie Donnerschläge, der muss vier Jahre zurückgehen. Nach Sotschi. Dort hatten die deutschen Bobfahrer ein Debakel erlebt. Eine Schmach. Und internen Zwist. Sie waren komplett leer ausgegangen, das hatte es letztmals 50 Jahre zuvor gegeben. Es war das Negativerlebnis, aus dem Francesco Friedrich (27) seither nicht nur Kraft zieht, sondern auch Motivation: „In Sotschi habe ich mir geschworen, dass mir so etwas bei einem Großereignis nicht mehr passiert.“ Er hat Wort gehalten.

 

Nach dem Olympiasieg im Zweier holte der Mann aus Oberbärenburg nun auch Gold im Vierer, mit 53 Hundertstelsekunden Vorsprung auf die zeitgleichen Nico Walther (Oberbärenburg) und Won Yun-jong (Südkorea). Ein deutscher Doppelsieg, aber auch eine Demonstration der Stärke. Allen voran von Friedrich. Kein einziges der acht Weltcuprennen in diesem Winter hatte gewonnen, die deutschen Erfolge teilten sich Johannes Lochner (vier) und Walther (drei). Und trotzdem war René Spies nicht überrascht, dass am Ende Friedrich ganz oben stand. „Er ist keiner, der reihenweise Weltcups gewinnt“, meinte der Bundestrainer, der 2014 zum Stab des damaligen Chefs Christoph Langen gehört hatte, „aber er ist immer voll da, wenn es um Medaillen geht, und er weiß auch, dass es so ist, kann deshalb sein Ding in Ruhe durchziehen. So etwas hat man, oder man hat es nicht. Friedrich hat es. Er ist einfach ein Champion.“

Gesamtweltcupsieger Johannes Lochner vom BC Stuttgart Solitude geht leer aus

Und einer, der Größe zeigte. Im Moment seines größten Triumphs dachte Friedrich nicht nur an seine Frau, die daheim auf den kleinen Sohn Karl aufpasst, sondern auch an seinen Teamkollegen. Johannes Lochner (BC Stuttgart Solitude), Weltmeister und Weltcup-Gesamtsieger im Vierer, war ausgerechnet bei den Winterspielen als enttäuschter Achter leer ausgegangen – obwohl er den gleichen Schlitten fährt wie Friedrich. „Der Arme, er tut uns so leid“, meinte Friedrich, „es ist extrem bitter für ihn.“ Das fand auch der Bundestrainer. „Es ist schon traurig für Lochner und seine Jungs“, sagte Spies, „sie sind in keinem Lauf auf Geschwindigkeit gekommen, waren weit abgeschlagen.“

Aber die Gesamtbilanz nicht trüben kann. In allen drei Bobrennen in Pyeongchang gab es deutsche Siege, neben Friedrich triumphierte bei den Frauen noch Mariama Jamanka (Berlin). Besser geht es nicht. Und es ist auch viel mehr, als man selbst erwartet hatte. „Wenn ich vor zwei Jahren gesagt hätte, dass wir das Ziel haben, bei den Spielen 2018 dreimal Gold zu holen, wäre ich für verrückt erklärt worden“, meinte René Spies, „und entlassen hätte man mich auch.“ Das ist richtig. Und trotzdem war die Rückkehr an die Weltspitze kein Zufall.

DOSB-Präsident Alfons Hörmann freut sich über die Wiedergutmachung für Sotschi 2014

Die Pleite in Sotschi lag zuvorderst daran, dass die Deutschen kein gutes Material hatten. „Mit einem halbwegs gescheiten Schlitten“, erinnert sich Friedrich, „wären wir auch damals aufs Podium gefahren.“ Doch es wurden die richtigen Lehren gezogen. Aktuell stehen dem Team zwei unterschiedliche Bobs zur Verfügung. Von Johannes Wallner, dem österreichischen Tüftler, und vom Institut für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten (FES) in Berlin, das den wissenschaftlichen Ansatz wählt. Heraus kommen, in beiden Fällen, schnelle Bobs. Zudem gibt es in Deutschland vier Eiskanäle – mehr als irgendwo sonst auf der Welt. Diese Trainingsstätten zu erhalten, ist das große Ziel von Thomas Schwab. Die Winterspiele in Südkorea liefern dem Generalsekretär des Deutschen Bob- und Schlittenverbandes beste Argumente. Seine Athleten (Bobfahrer, Rodler, Skeletonis) holten nicht nur sechsmal Gold, sondern insgesamt elf Medaillen – eine prächtige Ausbeute. „Wir sind klar über dem Soll“, meinte Schwab, für dessen Verband es 2022 in Peking womöglich eine weitere Medaillenchance geben wird: Das IOC will den Doppelsitzer der Frauen ins Programm aufnehmen.

Francesco Friedrich wird in Peking auch wieder dabei sein, zumindest hat er dies angekündigt. „Wir sind ein großartiges Team. Eine bessere Harmonie als bei uns kann es nicht geben, das bringt die nötige Lockerheit an den Lenkseilen. Und wir haben extrem hart gearbeitet, um unsere Ziele zu erreichen“, sagte der doppelte Olympiasieger, „auf jeden Fall mache ich bis 2022 weiter.“ Auch wenn er sich nun eine neue Motivationshilfe suchen muss. Denn Sotschi ist abgehakt. Endgültig. „Die Revanche für 2014 ist gelungen“, sagte DOSB-Präsident Alfons Hörmann, der an der Bahn mitgefiebert hatte, „und das ziemlich eindrucksvoll.“ Allen voran dank Francesco Friedrich.