Olympia 2022 Eric Frenzel: Drama beim Silbergewinn

Eric Frenzel bricht im Ziel zusammen. Foto: dpa/Daniel Karmann

Erst Ein-, dann der Zusammenbruch: Aus der Quarantäne heraus startet der nordische Kombinierer im Teamwettbewerb. Er bekommt nicht einmal mit, dass die Deutschen Silber holen.

Zhangjiakou - Zu einer Staffel gehören vier Leute, natürlich auch bei den Kombinierern. Für das Bild der Gewinner des Teamevents, das kurz nach dem Zieleinlauf entstand, stellten sich jedoch nur drei Deutsche auf, die sich über Rang zwei freuten. Einer fehlte, wie auch bei der Siegerehrung. Sein Platz auf dem Podium blieb leer, dort lag das Olympiamaskottchen Bing Dwen Dwen. Nicht dabei ist tragischerweise jener Athlet gewesen, für den diese Winterspiele ein einziges Drama sind. Eric Frenzel war nach elf Tagen im Quarantäne-Hotel auf der Strecke erst ein- und nach seiner Fünf-Kilometer-Runde zusammengebrochen. „Ich habe eben erst erfahren, dass wir Silber geholt haben“, sagte er eine knappe halbe Stunde später, nachdem er sich erholt hatte, „ich bin überglücklich.“ Das galt auch für den Bundestrainer.

 

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Frenzel ist der Musterschüler von Hermann Weinbuch, einem der erfolgreichsten Kombinierer der Geschichte. Entsprechend schmerzhaft war es für den Coach, den 33-Jährigen wegen eines positiven Coronatests in der Isolation zu sehen. Sein Leiden, seine Perspektivlosigkeit, seinen Kampf gegen sich selbst. Zwei Wettkämpfe verpasste Frenzel, hätte ihn Weinbuch für die Staffel nicht berücksichtigt, seine letzten Olympischen Spiele wären zum kompletten Frusterlebnis geworden. So ging es gerade noch mal gut.

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Weinbuch erklärte zwar, die alte Verbundenheit zu Frenzel habe nichts mit der Aufstellung zu tun gehabt („Ich habe das stärkste Team nominiert“), er wusste aber um das Risiko. Die Norweger, die überlegen Gold holten, verzichteten deshalb auf ihren Superstar Jarl Magnus Riiber. Auch er hatte elf Tage im Quarantäne-Hotel verbracht. „Wir haben alles untersucht, ein EKG und Tests auf der Strecke gemacht. Natürlich würden wir nie die Gesundheit eines Athleten aufs Spiel setzen“, sagte Weinbuch, „wir waren optimistisch, dass er gut laufen wird.“ Lief Frenzel aber nicht.

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Weil die Teams aus Österreich, Norwegen, Deutschland und Japan nach dem Springen von der Großschanze nur zwölf Sekunden getrennt hatten, war von Beginn an ein flotter Vierer unterwegs. Manuel Faißt hielt mit, übergab an Julian Schmid, der am Ende 4,6 Sekunden auf Espen Andersen (Norwegen) sowie Johannes Lamparter (Österreich) einbüßte. Und dieses Loch tat richtig weh.

Blut im Schnee? Ein Schauermärchen

Während es Akito Watabe gelang, sofort zum Spitzenduo nach vorne zu sprinten, konnte Frenzel die Lücke nicht schließen. Er kämpfte, er rackerte, er investierte – kam aber erst nach zwei Kilometern heran. Und hatte keine Kraft mehr, als Jens Luraas Oftebro und Lukas Greiderer noch einmal anzogen. Frenzel litt, gab alles, fing sich aber einen Rückstand von 37 Sekunden auf Norwegen sowie 27 Sekunden auf Österreich und Japan ein. Im Ziel brach sein Kreislauf zusammen, eine Minute lag er im Schnee, dann wurde er in einen der Durchgangstunnel transportiert, später in eine wärmere Kabine. Zurück blieb ein roter Fleck im Schnee, passend zur Ferndiagnose des ARD-Kommentators, Frenzel habe Blut gespuckt. Hatte er aber nicht. „Das war ein Schauermärchen“, stellte Weinbuch klar.

Geiger holt alles raus

Während im Zielbereich die Sorgen um Frenzel groß waren, machte sich Vinzenz Geiger an die Aufholjagd. Er holte Ryota Yamamoto und Martin Fritz ein, bummelte dann mit den beiden in Richtung Ziel, um sie auf den letzten 500 Metern abzuhängen. „Der Abstand auf Graabak war zu groß. Ich wusste, dass Gold definitiv weg ist“, sagte der Einzel-Olympiasieger, „ich habe alles rausgeholt, was machbar war.“ Platz zwei hinter Norwegen, nachdem sich die Frage stellte, ob es mit Johannes Rydzek statt Frenzel womöglich zu Gold hätte reichen können? Die Antwort des Bundestrainers fiel eindeutig aus. „Wir haben Silber gewonnen, mehr war heute nicht möglich. Dafür ist Norwegen zu stark gewesen“, meinte Weinbuch, „Rydzek war angeschlagen, ist zwei Tage vorher sehr schwach gelaufen, hat nichts dringehabt. Mit ihm wäre das Risiko noch höher gewesen.“

Als der Chefcoach das sagte, stand er gerade in der Mixed-Zone bei den Presseleuten. Hinter ihm gaben seine Athleten ein TV-Interview – nun wieder zu viert. Weinbuch drehte sich um und meinte erleichtert: „Da ist er ja wieder!“ Kurz darauf erklärte Eric Frenzel, wie es ihm geht. Und wie es ihm ergangen war. „Alles wieder gut“, sagte der dreimalige Olympiasieger, „auf der Strecke ging es mir richtig schlecht. So ein hartes Rennen hatte ich schon lange nicht mehr, am Ende konnte ich nicht mehr mitgehen. Ich musste in der warmen Kabine erst mal wieder zu Kräften und klaren Gedanken kommen.“

Der Kreislauf ist wieder stabil

Das dazu passende medizinische Bulletin lieferte Stefan Pecher. „Hauptsächlich handelte es sich um eine Unterkühlung“, diktierte der Teamarzt der Kombinierer in die Mikrofone, „mittlerweile ist der Kreislauf wieder stabil. Gesundheitliche Schäden sind nicht zu erwarten.“ Punkt. Unterm Strich, bilanzierte derweil Hermann Weinbuch, seien die zehnten Winterspiele, die er als Aktiver und Trainer erlebt hat, die „mit Abstand schwierigsten und anstrengendsten“ gewesen. Wegen Corona. „Erst die Entbehrungen, nicht zu den Familien zu dürfen, dann die zwei positiven Fälle. Das alles hat die Mannschaft total belastet und fertiggemacht“, sagte der Coach, „dass wir trotzdem Gold und Silber geholt haben, darauf bin ich sehr stolz.“ Das durften am Ende alle sein. Auch Eric Frenzel. Jetzt ist das Drama vorbei. Hoffentlich.

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