Das US-Unternehmen Discovery Communications hat jüngst die Übertragungsrechte für die kommenden Olympischen Spiele gekauft. Dahinter steckt eine Strategie, die dem Konzernchef David Zaslav bald den nächsten großen Erfolg bescheren könnte.

New York - Die Nachricht löste bei oberflächlicheren Beobachtern des globalen Medienmarktes in der vorvergangenen Woche ein leichtes Kopfkratzen aus. Da hatte sich ein anscheinend obskures Unternehmen aus den USA für sechs Jahre sämtliche Rechte an der Übertragung der Olympischen Spiele auf allen Plattformen in Europa gesichert, während altehrwürdige Sendehäuser wie die Öffentlich-Rechtlichen in Deutschland in die Röhre schauten. Wie konnte es sein, dass ein Netzwerk, das mit Tierfilmen und Naturdokumentationen seinen Unterhalt verdient, über Nacht zum globalen Mitzocker im ganz großen Rechtegeschäft geworden ist?

 

Intimere Branchenkenner waren über den großen Coup von Discovery Communications allerdings nicht ganz so erstaunt. Unter Investoren in den USA ist Discovery schon lange ein Geheimtipp, der Aktienpreis hat sich in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt, der Umsatz stieg alleine 2014 um 13 Prozent. Der Geschäftsführer, also der CEO des Unternehmens, David Zaslav, hat sich im letzten Jahr ein Rekordgehalt von 156 Millionen Dollar ausbezahlt. Chase Carey, die rechte Hand des wohl größten lebenden Medienmoguls Rupert Murdoch, sagte jüngst, dass Discovery für ihn das größte Vorbild in der Branche sei.

Discoverys Erfolg nachzuahmen dürfte Carey allerdings nicht so leicht fallen. Der Konzern, der tatsächlich vor dreißig Jahren als reiner Produzent von Naturdokumentationen und Wissenschaftssendungen anfing, hat sich mit Weitsicht und Geschick in eine einzigartige Lage manövriert.

Seine heutige Position hat das Unternehmen aus Washington vor allem Zaslav zu verdanken, der 2007 bei Discovery das Ruder übernahm. Zaslav, der sein Handwerk beim traditionellen TV-Netzwerk NBC (dem Inhaber der Olympiarechte für den US-Markt übrigens) gelernt hat, wird ein außergewöhnliches Maß an Weitsicht und Instinkt nachgesagt. „Er hat den schlafenden Riesen Discovery zum Leben erweckt“, attestiert ihm die Medien-Analystin Jessica Reif Cohen von der Bank of America. Der schlafende Riese, das war zum Zeitpunkt von Zaslavs Amtsantritt eine Ansammlung von rund einem Dutzend Kabelkanälen in den Vereinigten Staaten. Dazu gehörte der ursprüngliche Discovery Channel, ein Bildungssender namens The learning Channel (TLC), der Heim- und Gartenkanal HGTV und der Kochsender Food Network. Zaslav modernisierte das Programm dieser Kanäle.

Die Infotainment-Angebote wurden immer stärker in Richtung des Entertainments gelenkt. Erfolgsshows wie „Shark Week“, bei denen Amerika sich kollektiv vor den großen Meeresräubern gruseln konnte, kamen ebenso ins Programm wie die Erfolgsserie „Toddlers and Tiaras“, eine Reality-Show über Schönheitswettbewerbe für Kinder. Auch als die Queen des Daytime-Talks, Oprah Winfrey, sich 2008 von den klassischen Fernsehsendern lossagte, fand sie mit ihrem Sender OWN sofort bei Zaslav eine neue Heimat.

Weitaus bedeutsamer für den Erfolg von Discovery als Zaslavs Gespür für den Zeitgeschmack war freilich, dass er, anders als seine amerikanischen Mitbewerber, von Anfang weit über den US-Tellerrand hinaus schaute. „Wir sehen uns nicht unbedingt als amerikanisches Medienunternehmen“, sagte Zaslav kürzlich in einem Interview mit der „New York Times“, das er per Telefon von einer Dienstreise in Moskau führte. Hinter der globalen Strategie von Discovery stand die simple Beobachtung, dass der Markt für Kabelfernsehen in den meisten Ländern der Erde weit weniger gesättigt ist als in den USA. So lag die Marktdurchdringung mit Bezahlfernsehen in Nordamerika im Jahr 2012 bei 81 Prozent, im globalen Durchschnitt gerade einmal bei 47 Prozent.

Zum Plan von Zaslav gehörte zum einen der weltweite Vertrieb der Discovery-Produktionen, an denen er – wiederum anders als viele US-Konkurrenten – zum Großteil die alleinigen Rechte hält. In den vergangenen Jahren ist Discovery jedoch auch immer stärker dazu übergegangen, Sender und Produktionsgesellschaften in Übersee zu kaufen. Langsam, aber sicher knüpfte Zaslav ein immer dichter werdendes weltweites Netzwerk. So erwarb Discovery 2013 für 1,7 Milliarden den skandinavischen Konzern SBS, dem zwölf Fernsehstationen gehören. Im selben Jahr kaufte sich Discovery bei Eurosport ein. Insgesamt gehören dem Konzern heute Sender in 217 Ländern, Discovery erreicht 1,3 Milliarden Zuschauer außerhalb der USA. Der internationale Gewinn liegt mittlerweile höher als die Gewinne des gesamten Unternehmens zu dem Zeitpunkt, an dem Zaslav bei Discovery das Ruder übernahm.

Wie Zaslavs globale Expansions-Strategie genau funktioniert, ist an dem Olympia-Deal mustergültig abzulesen. Zaslav hat keinen universellen Plan für den Vertrieb der Olympiasendungen im Eurosport-Gebiet, er entscheidet situativ und im Detail. In  manchen Märkten wird Eurosport selbst übertragen, in manchen werden die Rechte sublizenziert. Sogar über die Gründung eines europaweiten Olympiasenders denkt David Zaslav mittlerweile nach, ergänzt von spezielleren Angeboten wie Highlightsendungen für Streaming-Plattformen.

Discovery unter David Zaslav ist alles, was traditionellere Medienriesen nicht sind, er ist agil und flexibel, jederzeit dazu in der Lage, sich neuen Gegebenheiten anzupassen. Die Proteste der Öffentlich-Rechtlichen gegenüber dem IOC, dass man doch über lange Jahre ein verlässlicher Partner und guter Verbreiter der olympischen Freude gewesen sei, wirkt daneben wie die selbstmitleidige Klage eines schlechten Verlierers. Produktiver wäre es, von Discovery zu lernen.