Wenn im August in Rio de Janeiro die Olympischen Spiele eröffnet werden, laufen auch Athleten feierlich ins Stadion, die vom Olympiastützpunkt Stuttgart in der Vorbereitung betreut wurden. Ein Blick hinter die Kulissen des Spitzensport-Dienstleisters.

Stuttgart - Im Stuttgarter Sport glänzt gerade sicher nicht alles. Schon gar nicht im Fußball. Aber es gibt noch viele andere Sportarten und für die olympischen beginnt im August in Rio bei den Sommerspielen die ganz große Show. Auf dem Weg dahin ist aber schon so mancher Athlet in eine unsichtbare Falle getappt. Im Kampf um die letzten Leistungsprozente rührt sich der Sportler auch gerne mal frei verkäufliche so genannte Nahrungsergänzungsmittel unters Müsli. Alles ganz legal, nur Vitamine, Mineralien und Spurenelemente – sagt der Hersteller. Aber kurz danach ist der Dopingtest positiv und eine Karriere vorbei. „Bei uns können die Athleten ihre Ergänzungspräparate auf Unbedenklichkeit hin testen lassen“, sagt Thomas Grimminger. Der Leiter des Olympiastützpunkt (OSP) in Stuttgart beschreibt damit eine von vielen Aufgaben, die as der OSP für seine Athleten so übernimmt.

 

19 Olympiastützpunkte gibt es in Deutschland, in denen etwa 4000 Kadersportler in den olympischen Disziplinen unterstützt werden. Der Stuttgarter liegt unmittelbar hinter der Gegengerade der Mercedes-Benz-Arena im Neckarpark. Betreut werden derzeit 290 Kaderathleten, davon 64, die im „Team Rio“ zusammengefasst sind und sich entweder bereits für die Spiele qualifiziert haben oder bei denen noch die Chance besteht. Generell versteht sich der OSP als eine Serviceeinrichtung für Athleten und Trainer, die in sportmedizinischen, physiotherapeutischen, trainings- und ernährungswissenschaftlichen Fragen berät und damit die Olympiavorbereitung unterstützt. Aber auch in Sachen Karriereplanung und Übergang nach dem Sport in ein normales Berufsleben bietet der OSP Hilfe an. 2016 ist dabei kein normales Jahr. „Wenn die Spiele vor der Tür stehen steigt bei uns der Spannungsbogen natürlich an“, sagt der ehemalige Leistungsschwimmer Grimminger.

Physiotherapie für Surfprofis

1,24 Millionen Euro hat der gelernte Bankkaufmann dafür pro Jahr in Stuttgart zur Verfügung. Getragen und finanziert vom Bund, dem Land, der Stadt Stuttgart und lokalen Sponsoren beschäftigt der Olympiastützpunkt derzeit 25 Vollzeiter. Das geht von der Fachkraft zur Betreuung des Internats bis hin zu Physiotherapeuten und Sportmedizinern. Die Unterstützung der Aktiven ist dabei ganz unterschiedlich. Beispiel Frank Stäbler: Der Ringer-Weltmeister vom TSV Musberg arbeitet lieber mit seinem Heimtrainer zu Hause auf den Fildern, bekommt aber regelmäßig Besuch von einer OSP-Physiotherapeutin, die ihn nach seinem Training behandelt. Die Beachvolleyballerin Karla Borger vom MTV Stuttgart hat dagegen im Internat auf dem OSP-Gelände gewohnt.

Und dann gibt es noch die Dinge, die sich nicht sofort erschließen. Der OSP ist zum Beispiel auch zuständig für den Friedrichshafener Surfprofi Toni Wilhelm. Stuttgart ist nun nicht gerade als Segelhochburg bekannt, „aber wir sind mit Physiotherapeuten 50 Tage im Jahr mit den Seglern unterwegs“, erklärt Grimminger. Besonders stolz ist man in Stuttgart auf das 2013 eröffnete neue Kraft Kompetenz Center. Dahinter verbirgt sich ein 2,3 Millionen Euro teurer Anbau an die für eine Million Euro sanierte Molly Schauffele Halle. Das Center ist eine Art Fitness-Studio für Profis und war auch für das Image des OSP wichtig, dessen alter Kraftraum republikweit als miserabel eingestuft wurde. Jetzt trainieren die Kaderleute an hochmodernen Maschinen Muskeln an Stellen, wo der Normalmensch mutmaßlich nicht mal Stellen hat. Daneben gib es Videoanalysen und spezielle Reha-Geräte. In einem kann man zum Beispiel durch eine spezielle Aufhängung gewichtsreduziert laufen. Die Turnerin Kim Bui begann schon einen Tag nach einer Kreuzband-Operation im Knie im vergangenen Sommer wieder mit dem Lauftraining auf der speziellen Maschine.

Der OSP Stuttgart hat in seinen 27 Jahren bisher durchaus erfolgreich gearbeitet. Medaillen zählen ist zwar verpönt, aber die Galerie der erfolgreichen Athleten auf dem Flur der OSP-Verwaltung reicht von Läufer Dieter Baumann, der 1988 in Seoul mit Silber über die 5000 Meter die erste OSP Medaille holte, bis zum Turner Marcel Nguyen, der 2012 aus London mit zwei Silbermedaillen zurück nach Stuttgart kam. Wer im August in Rio mit Stuttgarter Unterstützung starten wird – vieles entscheidet sich in den kommenden Wochen. Fix dabei sind zum Beispiel neben Ringer Stäbler auch Marathonläufer Arne Gabius, Surfer Wilhelm, die Turner Marcel Nguyen, Elisabeth Seitz und Tabea Alt oder die Mannschaft der Rhythmischen Sportgymnastik. Und zwei Mitarbeiter des Stützpunkts die zum Deutschen Team gehören.

Die Erfolge der Vergangenheit werden dem OSP wohl auch über die Zeit nach den Spielen helfen, die kritisch für so manchen der 19 Stützpunkte werden könnte. Das Konzept der Förderung von Leistungssport durch spezielle Dienstleistungen steht nämlich sowohl beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) als auch beim Innenministerium in Berlin als größtem Spitzensportförderer (160 Millionen Euro im Jahr) auf dem Prüfstand. Aus einem internen Dokument, dass der Süddeutschen Zeitung vorliegt, geht hervor, dass eine Konzentration und Verschlankung der Förderung im Fokus steht, und dass es am Ende nur noch einen Olympiastützpunkt pro Bundesland geben könnte. Käme es so, müssten drei von vier in Baden Württemberg dicht machen. Neben Stuttgart gibt es noch Stützpunkte in Heidelberg, Freiburg und Tauberbischofsheim.

Zukunft scheint gesichert

Grimminger kann die Reduzierungspläne nicht bestätigen. Er weiß nur von einer finanziellen Neubewertung, die für Stuttgart sogar gut ausgefallen sei. „Für die Leistung die wir erbringen, sollen wir künftig 270 000 Euro mehr erhalten“, sagt er. Deshalb sei für ihn die Zukunft des Standortes Stuttgart kein Thema. Ganz aktuell werden die 31 Internatsplätze vorübergehend vom OSP in die Theodor-Heuss-Kaserne verlegt. Der Grund: Das Internat und Sporthotel auf dem OSP-Gelände wird bis Ende des Jahres komplett saniert. Diese Maßnahme würde bei einer Schließung nun wirklich keinen Sinn ergeben.