Chef vom Dienst: Tobias Schall (tos)


Nun lernten sie das Heroin aus der Steckdose kennen. Als sie ihn mit seinem Problem konfrontierten, brach er den Kontakt ab. Sie haben ihm sein Geld gestrichen, er exmatrikulierte sich daraufhin, er beantragte Hartz IV, er brauchte nicht viel, nur genügend Geld für eine schnelle Internetverbindung. Mittlerweile hat sich ihr Sohn befreit, eine erste Annäherung hat stattgefunden.

Christoph Hirte bezeichnet sich als Getriebenen. Er ist selbstständiger Systemberater, 53 Jahre alt, ein kräftiger Mann. Er sitzt im Wohnzimmer an einem Holztisch, neben ihm seine Frau, sein Haar steht links und rechts ein wenig zur Seite. An der Wand hängen Bilder der Familie, auf dem Klavier steht ein Notenheft mit Werken von Beethoven. "Jeder, der etwas dagegen sagt, gilt als rückständig und technikfeindlich", sagt Hirte: "Ich will das Netz ja nicht verteufeln, es ist ein exzellentes Werkzeug." Ein Werkzeug, und kein Spielzeug, darum geht es ihm. Wenn er hört, dass schon im Kindergarten Mediennutzung geübt wird, wird ihm schlecht. Er sagt: "Ich versuche ja auch nicht, den Alkohol dorthin zu bringen, damit Kinder lernen, verantwortungsvoll zu trinken." Die Industrie habe die Macht übernommen.

Es geht um einen gigantischen Markt. Allein 2009 machte die PC- und Konsolenspieleindustrie einen Umsatz von rund 41 Milliarden Euro, mehr als die Kinoindustrie. Im Bundestag gibt es bald eine sogenannte LAN-Party der Lobbyisten.

Das Spiel mit dem höchsten Abhängigkeitspotenzial


Blizzard heißt der größte "Dealer" dieser Welt. Der Computerspielegigant hat mit seinen Rollenspielen "Starcraft" und "World of Warcraft" (WoW) Maßstäbe gesetzt. WoW gilt dabei als das Spiel mit dem höchsten Abhängigkeitspotenzial, und in den meisten Fällen von Rollenspielsucht ist WoW im Spiel. Das Kokain der Computerwelt nennt man es. Es wird in der Szene kolportiert, dass es unter Mitarbeit von Psychologen an der Suchtgrenze entlang entwickelt wird. "Massively Multiplay Online Role-Playing Game", heißen diese Spiele. Es bedeutet, dass Tausende gemeinsam eine virtuelle Fantasywelt bevölkern, in Gruppen oder allein verschiedene Aufgaben lösen. WoW ist frei ab 12, Ende 2009 hatte das Spiel weltweit 11,5 Millionen Abonnenten. "Gegen die Welt von WoW erscheint mir alles so fahl, wie ausgebleicht", schreibt ein Aussteiger im Netz.

WoW hat kein Ende, es geht immer weiter, man kann es nicht gewinnen oder verlieren. Es ist ein Spiel in der Endlosschleife mit immer neuen Herausforderungen, die sich die Programmierer einfallen lassen, damit die Spieler, die zahlenden Kunden, die Lust nicht verlieren. Zu jeder Tages- oder Nachtzeit spielen mindestens drei Millionen Menschen WoW. Der Kriminologe Christian Pfeiffer fordert, das Spiel erst ab 18 Jahren freizugeben. In Vietnam hat man bereits den Zugang mittels entsprechender Software auf drei Stunden pro Tag zu begrenzen versucht.