Ein Anwohner fühlt sich von der Veranstaltung gestört. Der Vaihinger Bezirksbeirat steht aber hinter dem Umsonst-und-Draußen-Festival.

Stadtleben und Stadtkultur : Alexandra Kratz (atz)

Vaihingen - Klaus Trott ergriff gleich zu Beginn der Sitzung bei den „Fünf Minuten für die Bürger“ das Wort. Das Rohrer Seefest gebe es bereits seit mehr als 40 Jahren, sagte der Vorsitzende des Vereinsrings. Es sei neben den Waldfesten eine der bekanntesten Veranstaltungen in dem Stadtteil. Jeden Sommer würden Menschen aus Stuttgart und darüber hinaus zu dem Umsonst-und-draußen-Festival kommen, das sich einst aus einem Flohmarkt heraus entwickelt habe.

 

Der Anlass für Trotts Plädoyer war der Beschwerebrief eines Anwohners. Dieser hatte bereits im Juni an das Amt für öffentliche Ordnung geschrieben und sich über die „sonntägliche Ruhestörung“ beklagt. Die Verwaltung wollte nun ein Meinungsbild aus dem Bezirksbeirat und wissen, ob die Lokalpolitiker nach wie vor hinter der Veranstaltung stehen. Darum hatte der Bezirksvorsteher Wolfgang Meinhardt das Thema auf die Tagesordnung der jüngsten Bezirksbeiratssitzung genommen.

Anwohner will Bürgerinitiative gründen

„Wir haben uns am Samstagabend die Veranstaltung angesehen und die Besucheranzahl im gesamten Park auf maximal 300 Personen geschätzt. Die Zahl der beeinträchtigten Nachbarn geht zahlenmäßig jedoch deutlich über die Zahl der Nutzer hinaus“, heißt es in dem Beschwerdebrief. Und weiter steht dort: „Eine derartige Veranstaltung ist an diesem Ort nicht angemessen!“ Die Topologie erlaube keine derartige akustische Beschallung. „Aus meiner Sicht steht der Nutzen für einige wenige Besucher in keinem Verhältnis zur Schädigung von Umwelt und Natur. Gesetze werden hier für wenige außer Kraft gesetzt. Was ist mit Flora und Fauna in und um den kleinen See?“, fragt der Beschwerdeführer und ergänzt: „Ich gehe davon aus, dass diese Veranstaltung das letzte Mal stattgefunden hat. Falls es diesbezüglich andere Pläne gibt, wird es eine Bürgerinitiative der Nachbarschaft geben. Zudem werde ich Rechtsmittel gegen die Stadt Stuttgart einsetzen“, droht der verärgerte Anwohner.

Die Mitglieder des Vaihinger Bezirksbeirats machten unmissverständlich klar, dass sie hinter der Veranstaltung stehen. „Klaus Trott hat bereits alles gesagt, was es dazu zu sagen gibt“, sagte Gerhard Wick von der SÖS.

Bezirksbeirat ärgert sich über „Duktus des Schreibens“

Kristin Wedekind (Grüne) merkte zum Thema Verhältnismäßigkeit an, dass der Rohrer See in einem sogenannten Mischgebiet liege. Dort seien grundsätzlich höhere Geräuschpegel erlaubt als in einem reinen Wohngebiet. „Wenn wir das Rohrer Seefest nicht mehr wollen, dann dürften wir auch die Waldfeste nicht mehr stattfinden lassen.“ Denn der Festplatz grenze an ein reines Wohngebiet an, so die Bezirksbeirätin.

In den weiteren Stellungnahmen wiesen die Mitglieder des Gremiums darauf hin, dass es bereits strenge Auflagen gebe, die der Veranstalter sehr ernst nehme. Zudem werde der Erlös der Veranstaltung für einen guten Zweck gespendet. Trott wies außerdem daraufhin, dass der Park nach der Veranstaltung sauberer sei als vorher.

Klaus Spieske (Grüne) ärgerte sich über den „Duktus des Schreibens“, wie er es formulierte: „Und als nächstes kommt irgendein Neubürger auf die Idee, den Cannstatter Wasen abschaffen zu wollen“, sagte der Grünen-Bezirksbeirat. Eyüp Ölcer (Freie Wähler) summierte schließlich: „Wir werden das Rohrer Seefest wieder stattfinden lassen.“ Das Gremium sprach sich einstimmig für die Veranstaltung aus.

Ein Umsonst-und-Draußen-Festival

Das Rohrer Seefest ist ein Umsonst-und-draußen-Festival. Der Eintritt ist frei. Alle Helfer arbeiten ehrenamtlich und der Veranstalter verzichtet auf Sponsoren. Das Fest finanziert sich durch die Einnahmen aus dem Verkauf von Essen und Getränken. Der Erlös wird jedes Jahr für einen guten Zweck gespendet. 2014 feierten die Musikfans das 40. Seefest. Das Motto: „Das Seefest wird gescheit.“

Das Seefest wird vom Jugendclub Rohr ausgerichtet. Seit 1973 engagieren sich Jugendliche in dem Verein. Der Club sei somit eine der ältesten Stuttgarter Jugendeinrichtungen und der älteste Mieter im Vereinshaus Alte Rohrer Schule, heißt es im Internet unter www.rohrer-seefest.de. Neben dem täglichen Clubbetrieb organisiert der Verein Konzerte und andere Veranstaltungen. Der Jugendclub verwaltet sich selbst. Das bedeutet, dass „keine Sozialpädagogen die Entscheidungsgewalt haben. Stattdessen entscheidet meistens der Thekendienst beziehungsweise eine Vollversammlung der Jugendlichen über die Verwendung der Finanzen“. So sollen Jugendliche sich selbst und ihre Fähigkeiten endecken und lernen, Verantwortung zu übernehmen.