Opernpremiere „La Fest“ Eric Gauthier lässt Breakdance auf Barock treffen
Eric Gauthier bringt für seine erste Opernregie viele Künste zusammen. „La Fest“ will vor allem erkunden, wie Feiern Akzente in einem Leben setzt. Premiere ist am 3. Dezember.
Eric Gauthier bringt für seine erste Opernregie viele Künste zusammen. „La Fest“ will vor allem erkunden, wie Feiern Akzente in einem Leben setzt. Premiere ist am 3. Dezember.
In Zeiten allgegenwärtiger Krisen und Kriege hat’s die Zuversicht schwer. Da wirkt eine Opernpremiere mit dem Titel „La Fest“ im Fluss der schlechten Nachrichten fast irritierend. Ausgedacht hat sich Eric Gauthier das Konzept für sein Debüt als Opernregisseur bereits zu Pandemiezeiten. Wenn schon das Leben kein Wunschkonzert ist, so seine Idee, dann soll wenigstens die Kunst eins sein und mit schönen Momenten anrühren.
Auf der Probebühne im Nord geht‘s Mitte November eng her. An Schreibtischen verfolgen rund zehn Menschen die Arbeit Eric Gauthiers mit dem Chor; dynamisch wie der Gesang ziehen sich Wellenbewegungen durch die Menge. Am Rand üben Mitglieder des Breakdance-Kollektivs The Flyings Steps die Kopfüber-Pirouetten, die sie später auf einen Twister-Teppich platzieren, bevor sich Chormitglieder auf den farbigen Punkten verbiegen.
Eric Gauthier hat einen kurzen Weg zur neuen Arbeitsstätte; die Räume von Gauthier Dance liegen direkt gegenüber auf der anderen Straßenseite. „Am Anfang war die leere Halle im Nord für mich eine Herausforderung“, sagt der Künstler, der erst als Solist des Stuttgarter Balletts, dann als künstlerischer Leiter der Theaterhaus-Kompanie Karriere machte. „Doch allmählich füllte sich dieser Ort nicht nur mit Requisiten, sondern auch mit dem kreativen Geist, wie ich ihn aus Ballettstudios kenne.“
Viele Theater hatten den umtriebigen Tanzmacher in der Vergangenheit als Opernregisseur angefragt. „Mit drei kleinen Kindern und dem großen Kind Gauthier Dance war mein Fokus damals woanders.“ Als der Stuttgarter Opernintendant Viktor Schoner anklopfte, war Eric Gauthier zwar bereit, für seine Idee musste er aber Überzeugungsarbeit leisten. „Ich wollte nicht einfach noch eine Operninszenierung abliefern“, erklärt er. „Alles ist schon gemacht und ich werde mit anderen verglichen. Deshalb wollte ich mit etwas ganz Neuem antreten.“
In der Pandemie reifte die Idee für „La Fest“, einer barocken Feier, die besondere Momente in einem Leben zusammenfasst, zu Partys aller Art tanzen lässt und damit zum perfekten Repertoirestück fürs Jahresende werden könnte. „Ich bin ein Fan von Festen und schaue mit meinen Kindern schon im Oktober Weihnachtsfilme“, sagt Eric Gauthier; seine Sehnsucht erklärt er mit der langen Abwesenheit von zu Hause als Ballettschüler. „Weihnachten war eine besondere Zeit im Jahr, in der mir die Familie ein warmes Gefühl der Zugehörigkeit geben durfte.“
Das soll auch sein Operndebüt transportieren. Eric Gauthier griff deshalb nicht auf ein bestehendes Stück Musiktheater zurück, sondern begann, wie er es als Choreograf gewohnt ist, bei Null. „Verblüfft hat mich vor allem, dass in der Oper so viel mehr Menschen involviert sind, alles ist größer angelegt“, schildert Eric Gauthier seine ersten Einblicke. Von Beginn an seien für eine Oper sehr viel mehr Gewerke involviert – und folglich auch im Probenraum mehr Andrang. „Wenn ein neues Ballett entsteht, sind im Studio oft nur Tänzer, Choreograf und Ballettmeister“, sagt Gauthier. „Das fühlt sich intim an.“
Unterscheidet sich die Arbeit mit einem Tanzensemble von der mit Gesangskünstlern? „Beide sind Hochleistungssportler“, hat Eric Gauthier beobachtet – aber: „Tänzer sind eher wie Langstreckenläufer, sie können viele Stunden am Stück tanzen und tun das auch täglich im Training und bei Proben. Sänger sind dagegen wie Sprinter, sie fokussieren sich auf intensive Momente und drehen dann voll auf in einer Arie.“ Missen will Gauthier die neue Erfahrung auf keinen Fall. „Ich würde definitiv nicht ausschließen, wieder eine Oper zu inszenieren. Ich habe wahnsinnig viel gelernt in den vergangenen Wochen, die Arbeit an ,La Fest‘ hat riesigen Spaß gemacht – auch dank Benjamin Bayl, dem Dirigenten. Seine Musikauswahl war sehr inspirierend.“
In drei Akten geht „La Fest“- inklusive einer Premierenparty mit DJ – über die Bühne, die größer ist als gewohnt. Der Orchestergraben ist abgedeckt, die Musiker sind Teil des Geschehens, eine Kammerbesetzung treibt auf einem fahrbaren Plateau mitten hindurch. „Ich habe Sänger und Sängerinnen sowie Benjamin Bayl gefragt, welche Stücke sie schon immer mal interpretieren wollten“, sagt Eric Gauthier. Raritäten sind darunter wie die Arie „Alto Giove“ aus Porporas „Polifermo“, aber auch Ohrwürmer von Bach bis Vivaldi.
Die Sängerin Diana Haller wird „La Fest“ zusammenhalten. „Sie kommt als alte Frau im Rollstuhl auf die Bühne, Musik und Gesang machen sie immer jünger und führen zu den Höhepunkten ihres Lebens“, fasst Gauthier den im Stück erzählten Lebenszyklus zusammen. Einen Abend lang will er das Leben zum Fest machen – und für seine Künstler tatsächlich zum Wunschkonzert.
Termin
„La Fest“ hat an diesem Sonntag um 18 Uhr Premiere im Opernhaus. Weitere Aufführungen gibt es am 6., 16., 23., 25., 28. und 31. Dezember sowie am 19. und 25. Januar. Die musikalische Leitung hat Benjamin Bayl; die Bühne hat Susanne Gschwender gestaltet, die Kostüme Gudrun Schretzmeier.
Warmup
Jeweils eine Stunde vor Vorstellungsbeginn gibt es im Foyer des ersten Rangs ein Angebot, das auf die besondere Atmosphäre von „La Fest“ einstimmt. „Be baroque!“ lautet das Motto, das dem Publikum auch beim eigenen Auftritt Anregung sein will.
Ausklang
Nach jeder Vorstellung von „La Fest“ findet im Opernhaus eine After-Show-Lounge mit wechselnden DJs in entspannter Atmosphäre statt. Die Bars sind geöffnet.