Anette Röckle lenkt den Ortsbus. Sie ist eine Institution in den Bezirken. Der Ortsbus ermöglicht den Senioren, möglichst lange mobil zu sein und ihre Einkäufe erledigen zu können.

Feuerbach/Weilimdorf - Anette Röckle ist einfach flinker als ihre Fahrgäste, immer: Die schwere Einkaufstasche oder den Rollator hochgehoben, die Extra-Trittstufe zurechtgerückt, damit das Ein- und Aussteigen leichter fällt. Dazwischen hält sie Ausschau: „Es fehlen noch zwei!“ Eine Busfahrerin, die weiß, wann ihre Passagiere komplett sind? In Feuerbach und in Weilimdorf gibt es das. Die Eheleute kommen gerade noch rechtzeitig, sind schlecht zu Fuß. Als auch sie sicher sitzen, geht es los, mit dem Ortsbus von der Stuttgarter Straße in Feuerbach hinauf zum Killesberg.

 

„Ohne unsere Frau Röckle geht gar nichts“

Seit acht Jahren fährt Anette Röckle den Ortsbus, vormittags in Feuerbach und nachmittags in Weilimdorf oder umgekehrt. Zuvor war sie als Taxifahrerin für ihr Busunternehmen tätig, brachte schließlich in Markgröningen Menschen mit Behinderungen zu ihren Therapie-Einrichtungen. Ob sie deshalb so gut mit ihren Gästen umgehen kann? „Jedenfalls war es toll, und ich würde die Erfahrung nicht missen wollen“, erzählt die 49-Jährige, die in ihrer Freizeit gerne liest und sich mit Begeisterung um ihre drei Enkel kümmert.

Über die Jahre sind auch die Fahrgäste zur erweiterten Familie geworden. „Ohne unsere Frau Röckle geht gar nichts“, sagt eine Seniorin. Bevor sie sich mit ihrem Rollator zum ersten Mal in den Ortsbus traute, hat sie sicherheitshalber bei der Busgesellschaft angerufen: „Ob das überhaupt geht?“ Kein Problem. Sie bekam sogar Anette Röckles Handynummer, ist seither wieder mobil – und überglücklich. „Früher hatten wir am Eck einen Einkaufsladen. Seit der weg ist, kann man nur noch unten in der Stadt einkaufen.“ Aber den langen und steilen Weg, mitsamt Rollator und Einkaufstasche? „Das könnte ich nie.“

Der Ortsbus ist der Schlüssel zu vielem

Wie wichtig der Ortsbus ist, zeigt sich bei der nächsten Tour, in Richtung Triebweg: Die Fahrgäste erzählen, dass sie ihren Tagesablauf praktisch nach dem Ortsbus richten. „Bei der Krankengymnastik kennt man den Fahrplan, und ich bekomme meine Termine möglichst so, dass ich mit dem einen Bus her und mit dem nächsten zurückfahren kann“, erzählt eine Frau. Auch für die anderen ist der Ortsbus der Schlüssel zu vielem: Stammtisch, Einkäufe erledigen, Arztbesuche. „Ich bin Fahrgast der ersten Stunde, seit 21 Jahren“, sagt eine Kundin, „an Fahrern hatte ich sie alle – den Thomas, den Löflat, den Mehmet, den Horst. . .“

Doch nicht immer war es um den Ortsbus finanziell gut bestellt: Allein mit den Fahrten in Feuerbach und Weilimdorf ist er wirtschaftlich nicht tragbar. Die Einnahmen aus Fahrkartenverkauf und Werbung reichen nicht aus, wie Peter Schmaus vom mitinitiierenden Gewerbe- und Handelsverein Feuerbach (GHV) erzählt: „Wir freuen uns immer über Betriebe, die Werbeflächen auf dem Bus mieten oder ihren Kunden Fahrchips als Werbegeschenk anbieten.“ Erst seit die Firma Bosch den Bus täglich ebenfalls für zwei Betriebsfahrten mit nutzt, lohnt sich der Aufwand.

Der soziale Aspekt ist nicht zu unterschätzen

„Ich sehe den Ortsbus als Lösungsansatz in Sachen demografische Entwicklung: Wir wollen, dass die Senioren möglichst lange mobil sind und ihre Einkäufe selbst erledigen können. Und altersunabhängig wollen wir, dass möglichst viele Menschen vor Ort und nicht auf der grünen Wiese einkaufen“, sagt Feuerbachs GHV-Vorsitzender Jochen Heidenwag. Die Weilimdorfer Bezirksvorsteherin Ulrike Zich würde sich überdies wünschen, dass der Bus ins Tarifsystem des Öffentlichen Personennahverkehrs aufgenommen wird, um ihn auch für Jüngere als Zubringer zu den öffentlichen Verkehrsmitteln attraktiver zu machen: „Das hat bislang aber noch nicht geklappt.“ Gerade für die Älteren sei der soziale Aspekt des Ortsbusses aber nicht zu unterschätzen: „Leute treffen, selbstständig sein – das ist überlebenswichtig“ Auch Eckhardt Binder, Vorsitzender des Weilimdorfer Bundes der Selbständigen (BDS) bestätigt dies: „Der Ortsbus ist ein echter Ort des Austausches geworden, den darf man nicht einschränken, man sollte ihn eher noch ausbauen“

In Richtung Triebweg ist es mittlerweile richtig voll geworden, Erinnerungen an Schulausflüge werden wach: Man kennt sich, tauscht Klatsch aus, die eben gekauften Blumen werden herumgezeigt. „Manchmal tauschen wir auch Kochrezepte aus“, erzählt Anette Röckle. Was würde sie sich denn für „ihren“ Ortsbus wünschen? „Dass es ihn und seine Fahrgäste noch ganz lange gibt. Und dass die Haltestellen nicht immer so zugeparkt werden.“