Beim Champions-League-Finale gibt es keine Bayern-Hasser mehr. Sie spielen gegen Chelsea für Deutschland – deshalb Lederhosen an!

Stuttgart - In der Schnäppchenecke bei „Ebay“ werden einem dieser Tage die Sepplhosen geradezu nachgeschmissen, mit etwas Glück kann man sich schon für läppische 26 Euro eine ersteigern – und für einen geringen Aufpreis womöglich sogar die aufgedonnerte Kniebundversion in hochwertigem Ziegenvelours mit protzigen Hosenträgern, erhaben bestickt mit einem Enzian und original signiert von König Ludwig.

 

So spottbillig waren Lederhosen selten.

Dieser jähe Preiszerfall der Trachtenmode hat vermutlich mit der Tracht Prügel zu tun, die sich der FC Bayern zuletzt im Pokalfinale von den Dortmundern hat verabreichen lassen, aber nicht nur wegen des Discounts sollte jeder anständige deutsche Fußballfan jetzt zuschlagen, sondern mit Blick auf das Champions-League-Finale gegen Chelsea – denn ab sofort sind wir alle Bayern.

Lederhosen an! Dem FC Bayern muss dringend das Kreuz gestärkt werden, der Notfall ist eingetreten. Selbst der eingefleischteste Bayern-Neider und Hoeneß-Hasser hat sich dem übergeordneten nationalen Interesse jetzt zu beugen, im Rahmen der Bürgerpflicht gefälligst über den Tellerrand hinauszublicken und seinen Horizont ausnahmsweise zu erweitern bis zum Weißwurstäquator – denn diese waidwund geschossenen Schweinis und Robbens gewinnen uns das Champions-League-Finale höchstens noch dann, wenn wir gegen Chelsea als Volk endlich mal wieder so zusammenrücken wie anno Tobak, als Uri Geller mit der gewaltigen Kraft der bundesweit gebündelten Gedanken live im Fernsehen einen Löffel verbogen hat.

Sonst wünscht man nur: Halsbruch und Beinschuss

Noch haben dieses Gebot der Stunde leider nicht alle vollinhaltlich geschnallt. Quer durch die Republik wird von unverbesserlichen Verblendeten auf den billigen Plätzen berichtet, die den Bayern wie üblich Halsbruch und Beinschuss wünschen – anlässlich der anhaltenden Feierlichkeiten nach dem 5:2 der Dortmunder sollen die Getränke in weiten Teilen des Landes zeitweise sogar im Kopfstand eingenommen worden sein, zu Tanz und Musik und unter dem öffentlichen Absingen gehässiger Lederhosensongs und lästerlicher Gassenhauer. – Selbst wenn sie grundsätzlich noch so gut gemeint sind, bringen uns diese Anti-Bayern-Reflexe zumindest morgen Abend nicht weiter, und viele haben das vorbildlich begriffen, darunter sogar die Dortmunder Schlachtenbummler. Die haben nach dem Schlusspfiff im Pokalfinale höflich gewartet, bis der letzte Bayern-Fan das Olympiastadion fluchtartig verlassen hatte – und dann als größter Chor der Welt nicht den uralten Hasshit der Toten Hosen („Nie würd’ ich zu Bayern geh’n“) angestimmt, sondern Campinos neuen, viel friedlicheren Sommerhit: „Tage wie diese“.

Es sind die Tage, in denen sich im Fußball alles entscheidet – jedenfalls erfordern Tage wie diese unser radikales Umdenken, und nicht einmal mit dem geringsten kleinkarierten Kleinstaatlerdenken dürfen wir die Bayern jetzt hängenlassen. Man hat ihnen die Schockstarre angesehen, wortlos sind ihre Bosse in Berlin am Ende an allen Kameras vorbei in die innere Emigration geflüchtet, der Präsident Hoeneß angeblich sogar überstürzt und kopfüber durch den Luftschacht der Stadionkatakomben. So gut wie gestützt mussten die Bayern werden, und genau das sollten wir jetzt tun und uns bei ihnen unterhaken – denn es geht gegen Chelsea nicht mehr nur um Uli, sondern auch um dich, mich und Jogi.

Ein Sieg für Mutti, Vati, Kind und Kegel

Haben Sie den Bundestrainer gesehen in Berlin, dieses leidende Elend? Er muss sich um das Selbstvertrauen seiner kommenden Europameister plötzlich Sorgen machen, die er zuvor gar nicht ahnte, zum Beispiel um Manuel Neuer. Wenn der so eine Rückgabe von Hummels aus elf Metern auch bei der EM durchlässt, dann gute Nacht. „Aber die Bayern gewinnen gegen Chelsea“, sagt der tapfere Löw als guter Deutscher. Die Bayern spielen für uns alle, für Mutti und Papi und für Kind und Kegel, für unsere Schwippschwäger und Schwiegertöchter bis hin zu Dackel Waldi und Berta, unsere Kuh im Stall.

Es geht um Deutschland, schließlich wollen wir auch im Fußball endlich mal wieder Papst werden – und das schaffen nur die Bayern. Was wir ohne sie wären? Nix!

Kleinlaut geben wir es zu und schämen uns für den Rest der Bundesliga, der sich beim Betreten der Champions League regelmäßig in der Tür irrt. Alle brechen sich auf dem internationalen Glatteis die Beine, ständig werden die Messis gewetzt und unsere Krücken vervespert, frisch in Erinnerung ist noch das 1:7 von Leverkusen in Barcelona. Als der VfB vor fünf Jahren Meister war, hat das frei empfangbare Fernsehen sicherheitshalber gar nicht mehr übertragen, die grässlichen Bilder wurden nur im Pay-TV gezeigt, und man hätte sie im Grunde auch da noch mit der Kinderschutzsperre blockieren müssen. Die Wolfsburger waren nicht viel besser, die Schalker haben uns voriges Jahr im Halbfinale gegen ManU zweimal weltweit blamiert – aber am gewaltigsten sind unsere gefeierten Dortmunder als Löwe gesprungen und als Bettvorleger gelandet.

Fünf Kisten in Farbe und voller Länge

Die Kühlerfigur unserer Kickkultur sind die Bayern, und jetzt haben wir endlich einmal die Chance, ihnen gebührend zu danken, in Form des Zusammenrückens und Daumendrückens, meinetwegen auch mit zusammengebissenen Zähnen oder mit der Faust in der Tasche – jedenfalls wollen wir das Gesicht von Uli Hoeneß, das uns nach den fünf Kisten in Berlin in Farbe und voller Länge vorwärts und rückwärts übertragen wurde, in Großaufnahme und Zeitlupe.

Wir geben der Häme, Schadenfreude und sonstigen Bayern-Feindlichkeiten hiermit noch freien Lauf bis zum Finale – aber dann ist schlagartig Schluss, und wir bestellen per Schnellfracht eine dieser „Ebay“-Sepplhosen, notfalls schweinsledern, aber auf jeden Fall mit Hosenträger, Enzian und Rückgaberecht.