Damit hat Dieter Schlesak recht, auch wenn man sich fragt, warum er große Teile seines Beitrags über zwei Einträge in seiner Opferakte, die auf Stein/Pastior hinweisen, dazu nutzt, ein für ihn - Schlesak - angelegtes "Agentendossier" unter dem IM-Namen "Ehrlich" als möglichst unbedeutend und in weiten Teilen gefälscht darzustellen. Wie groß Oskar Pastiors "historische Schuld" ist, muss nach diesen Funden weiter untersucht werden. Auch Herta Müller hält es "für wahrscheinlich, dass es weitere Berichte von Oskar Pastior gibt". Welche Schlüsse wären daraus zu ziehen?

Der rumäniendeutsche Schriftsteller Richard Wagner sieht, wie am Donnerstag in der Online-Ausgabe der NZZ zu lesen war, keine Zukunft für die aus Pastiors Nachlass gegründete Stiftung und den in seinem Namen vergebenen Literaturpreis. Und er benennt Konsequenzen für das Werk von Oskar Pastior, der 2006 posthum den Georg-Büchner-Preis erhalten hatte: "Seine Gedichte haben formal Bestand, sie haben aber kein moralisches Echo, man kann sie auch weiterhin lesen, sie sagen aber nichts aus. Nicht, weil sie sich verweigern, sondern weil sie nichts verraten dürfen."

Pastior war nie moralische Instanz


Das allerdings wäre nichts Neues. Pastior ist erst nach seinem Ableben, durch Herta Müllers Roman "Atemschaukel" und im Scheinwerferlicht des Literaturnobelpreises, den sie vor knapp einem Jahr entgegengenommen hat, auf Umwegen also, zu einem Märtyrer der Katastrophengeschichte des vergangenen Jahrhunderts geworden. Er selbst hat im Hinblick auf seine Biografie und die durchlebten Schrecken größte Zurückhaltung walten lassen. Ein politischer Autor, eine moralische Instanz war dieser manische Sprachspieler nie.

Herta Müller sagt jetzt, "Atemschaukel" beruhe "hauptsächlich, aber nicht nur auf Pastiors Erinnerungen aus dem (kommunistischen Zwangsarbeits-)Lager". Sie habe zuvor schon recherchiert, und es "wäre zu der Zusammenarbeit mit Oskar Pastior wohl nicht gekommen, wenn ich von seiner Verstrickung mit der Securitate gewusst hätte". Die Pastior-Stiftung werde eine Forschergruppe damit beauftragen, "die Verstrickung von Schriftstellern und Geheimdienst in der Diktatur - auch an Oskar Pastiors Beispiel - zu untersuchen." Sie erwartet da auch noch einiges von westlichen Geheimdiensten, denen Pastior sich nach seiner Ausreise 1968 offenbart habe. Diese Geschichte ist noch nicht zu Ende.