Im belgischen Ostende tritt ein Verein für ein friedliches Miteinander am Strand ein. Doch wie kam es überhaupt zu den Scharmützeln zwischen Robben und Hunden?

Schilder mit friedlich schlummernden Robben säumen die Nordsee-Promenade der belgischen Hafenstadt Ostende. „Gönn uns Ruhe“, heißt es darauf, und „Hunde an die Leine“. Die Warnung kommt nicht von ungefähr. „Robben haben hier bereits Hunde gebissen und Hunde Robben“, sagt Inge de Bruycker. Sie hat einen Verein gegründet, der sich für ein friedliches Miteinander am Strand einsetzt. 

 

Seit der Corona-Pandemie sind Begegnungen mit Kegelrobben oder den etwas kleineren Seehunden an der Nordseeküste keine Seltenheit. Während die Menschen wegen des Virus fernblieben, haben sich die Tiere die Strände zurückerobert. Sie schlummern dort oder nehmen ein Sonnenbad.

„Die Robben wollen sich einfach erholen“, sagt de Bruycker, während sich zwei Tiere vor rund einem Dutzend Schaulustigen im Sand räkeln. Freiwillige in Warnwesten achten darauf, dass sich Mensch, Hund und Robbe nicht zu nahe kommen. 

Der Verein hat klare Regeln ausgemacht

Die Ehrenamtlichen gehören zu de Bruyckers Verein North Seal Team, ein Wortspiel auf North Sea (Englisch für Nordsee) und Seal (Robbe). „Wir sind von sieben Uhr morgens bis zehn oder elf Uhr abends hier“, sagt de Bruycker.

Ihr Verein hat mit der Gemeinde klare Regeln ausgehandelt: Menschen sollen mindestens 30 Meter Abstand zu den Robben halten, Füttern ist verboten. Als Corona zu Ende ging, hatten viele Zweibeiner keine Hemmungen, Selfies mit Robben zu machen oder diese zu streicheln. Einige schoben die Robben sogar gewaltsam ins Meer, weil sie fürchteten, die Tiere könnten im Sand austrocknen. 

Das geht natürlich nicht, wie der Meeresbiologe Kelle Moreau vom belgischen Naturkundeinstitut betont: „Es sind wilde Tiere!“ Jungrobben werden nach seinen Worten von ihren Müttern oft alleine am Strand ausgesetzt, bis sie Hunger bekommen. Das sei nicht grausam, sondern erfülle einen pädagogischen Zweck, erklärt Moreau. „Wenn man sie füttert, gehen sie nicht ins Meer und lernen nicht zu jagen.“ 

Besonders gefährliche Netze verboten

Wenn Bürger verletzte Tiere finden, wenden sie sich oft an das Meeresaquarium Sea Life in Blankenberge, rund 20 Kilometer östlich von Ostende. „Sie schicken uns Fotos und wir entscheiden dann, ob wir uns kümmern“, sagt dessen Leiter Steve Vermote. Die meisten der Meeressäuger werden nach spätestens zwei Monaten wieder ausgesetzt. Einige, wie die blinde Robbe Lily, bleiben aber auch länger.

Im vergangenen Jahr hat Sea Life zwölf Kegelrobben und drei Seehunde wieder aufgepäppelt. Auch um einige Tiere mit Narben am Hals haben sich Vermotes Mitarbeiter gekümmert. Sie stammen vermutlich von Fischernetzen, denen zuletzt eine Reihe von Robben vor der belgischen Küste zum Opfer fielen. 

Besonders gefährliche Netze für die Tiere hat die Regierung in Brüssel inzwischen verboten. Die Zahl qualvoll verendeter Tiere hat sich daraufhin im vergangenen Jahr auf gut 50 halbiert. Auch das ist dem Meeresbiologen Moreau zufolge ein gutes Beispiel für ein friedlicheres Miteinander von Mensch und Robbe.