Seit zehn Jahren besuchen Schüler des Heinrich-Heine-Gymnasiums die Affiliated High School of Peking University. Neben dem Erwerb von Sprachkenntnissen zählt dabei vor allem das interkulturelle Erlebnis.

Ostfildern - Es war im Oktober 2006, als zwölf Schülerinnen und Schüler des Heinrich-Heine-Gymnasiums (HHG) aus Ostfildern-Nellingen erstmals einen Fuß auf chinesischen Boden setzten. Sie waren die ersten, die an die renommierte Affiliated High School of Peking University (PKU) durften. Zehn Jahre später findet der Austausch zwischen den Partnerschulen immer noch statt. Mittlerweile haben rund 150 Jugendliche aus beiden Ländern daran teilgenommen. Die interkulturelle Erfahrung wirkt dabei nachhaltig, kommt sie den Jugendlichen doch vor allem nach der Schule zugute.

 

Die Saat für die fruchtbare Zusammenarbeit der beiden Schulen hat Willi Fischer, der einstige Leiter des HHG-Projekts „China – Sprache, Wirtschaft, Kultur“, ausgebracht. Mit seiner Idee trat er an die damalige Kulturbürgermeisterin der Stadt Stuttgart, Iris Magdowski, heran, die bei ihren Besuchen in Peking erste Kontakte zur PKU knüpfte. 2006 war es dann soweit.

Kulturelle Unterschiede machen den Austausch spannend

Der Austausch findet im jährlichen Wechsel statt. Während die chinesischen Jugendlichen zehn Tage bei ihren deutschen Gastfamilien wohnen, leben die Deutschen dort im Internat und verbringen lediglich ein langes Wochenende bei den Eltern ihres Austauspartners. Meist wird sich mit Englisch beholfen, das die chinesischen Schüler an der High School lernen. „Viel Chinesisch können die meisten nicht“, sagt die Projektleiterin für Chinesisch am HHG, Petra Enz-Meyer. Wer dran bleibt, könne nach einiger Zeit aber einfache Gespräche führen.

„Um eine Sprache zu erlernen sind zwei Stunden in der Woche eben nicht viel“, betont sie. Zwar kennt Chinesisch keine Zeiten und Fälle, wie die indogermanischen Sprachen, doch ist es zum einen die Schriftsprache, die viele vor eine Herausforderung stellt. „Chinesisch ist zudem schwer im Hinblick auf die verschiedenen Tonlagen. Je nachdem welchen Ton man einer Silbe gibt, hat das Wort eine völlig andere Bedeutung“, erklärt Enz-Meyer. Neben der Sprache sind es jedoch vor allem die kulturellen Unterschiede, die es gibt, und die eventuellen Vorurteile, die das Programm für die Jugendlichen spannend machen. Vor Ort erleben die deutschen Schüler hautnah, wie straff organisiert das Leben ihrer chinesischen „Buddies“ ist. „Diese müssen nach der Schule und am Wochenende lernen“, sagt Enz-Meyer. Freizeit, wie man sie hier hat, gebe es nicht. Im Gegenzug sei es für die chinesischen Gäste ungewohnt, wie viel Freizeit und Freiheiten die jungen Deutschen hätten. Man lernt sich aber nicht nur kennen, man baut auch Vorurteile ab. So seien die chinesischen Schüler immer wieder vom Humor der Deutschen überrascht, den sie von ihren Partnern so nicht erwartet hätten.

Ein Pluspunkt im Lebenslauf

Zum zehnjährigen Jubiläum reiste die deutsche Gruppe mit 21 Schülern an. Mit dabei waren auch Jugendliche anderer Schulen, etwa aus Esslingen, die sich ebenfalls für den Austausch bewerben dürfen. Der Besuch stand unter dem Motto „Stadtentwicklung“. So lernten die Besucher bei einer Führung durch die Verbotene Stadt in Peking, dass diese bis heute den Ausgangspunkt für alle Straßenachsen bildet.

Doch bei allem Spaß hat das Programm auch einen nachhaltigen Sinn. Enz-Meyer betont, dass es sich positiv auf Bewerbungen für einige Studiengänge, Praktika oder gar einen Job in China auswirke. „Viele Studiengänge sind heute an Chinesisch gekoppelt“, sagt sie. China käme eine immer größer werdende Bedeutung auf dem Weltmarkt zu, was auch deutsche Unternehmen betreffe.

Beim Aufenthalt in Ostfildern gehörten im vergangenen Jahr neben kulturellen Ausflügen daher auch für die chinesischen Schüler Besuche in Betrieben wie dem Automatisierungsunternehmen Pilz in Ostfildern oder eine Werksführung im Mercedes-Benz-Werk Sindelfingen dazu.