Fehlt den Grünen der Wille zur Aufklärung über die Pädophilen in ihren früheren Reihen? Oder blenden die Gegner die historischen Umstände aus und bauschen alles auf? Daniel Cohn-Bendit wird jedenfalls verteidigt.

Berlin - Mit immer neuen Attacken heizt die CSU den Streit über die einstige Rolle von Pädophilie-Sympathisanten bei den Grünen weiter an. Der langjährige Grünen-Spitzenpolitiker Daniel Cohn-Bendit, der in einem Buch Sexualkontakte mit Kindern in den 70er Jahren geschildert hatte, erhielt aber am Wochenende auch Unterstützung. Die langjährige Grünen-Bundestagsabgeordnete Marieluise Beck forderte von den Kritikern eine stärkere Beachtung der historischen Hintergründe.

 

CSU-Chef Horst Seehofer äußerte Zweifel am Aufklärungswillen der Grünen. „Das sieht nach einem reinen Lippenbekenntnis aus“, sagte Seehofer der „Welt am Sonntag“. Wenn es um die Befürwortung von Kindesmissbrauch in ihren Reihen gehe, müssten die Grünen jetzt Aufklärung leisten. Der Grünen-Vorstand hat beschlossen, einen Forscher untersuchen zu lassen, in welchem Umfang Pädophilen-Gruppen in der Partei wirkten. Dazu gibt es viele Akten.

CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt sagte der „Bild am Sonntag“: „Die Grünen wollen anscheinend einen Teil dieser Akten nur deswegen unter Verschluss halten, weil noch aktive Politiker der Partei davon betroffen sein könnten.“ Er forderte Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) in einem Brief auf, zu überprüfen, ob Pädophilen-Gruppen in den 80er Jahren von der Bundestagsfraktion der Grünen finanziell unterstützt worden seien.

Beck: Geschichtlichen Zusammenhangs beachten

In der Debatte, ob Cohn-Bendit ein Pädophiler ist - wie von Dobrindt behauptet -, stellte sich der Journalist Thomas Schmid hinter den Europa-Politiker. Der Herausgeber von „Welt“-Gruppe und „Berliner Morgenpost“ und ehemalige Weggefährte Cohn-Bendits schrieb in der „Welt am Sonntag“: „Ich glaube ihm.“ Über kindliche Sexualität zu reden, sei damals einigen interessant erschienen, weil es um ein Tabu ging. „Mit Pädophilie hatte das nichts zu tun.“ Cohn-Bendit habe es später allerdings versäumt, seine früheren Aussagen klar als Fehler zu benennen.

Die Grünen-Abgeordnete Beck, die seit Einzug der Partei in den Bundestag vor 30 Jahren im Parlament sitzt, sagte der Deutschen Presse-Agentur (dpa): „Was Dany Cohn-Bendit angeht, habe ich keinen Grund, an seinen Aussagen zu zweifeln, dass er mit den in der Tat unerträglichen Sätzen damals provozieren wollte.“ 1975 hatte Cohn-Bendit in einem halb fiktiven Buch über seine Zeit als Kindergärtner geschrieben: „Es ist mir mehrmals passiert, dass einige Kinder meinen Hosenlatz geöffnet und angefangen haben, mich zu streicheln.“

Beck forderte zur Beachtung des geschichtlichen Zusammenhangs bei dem Thema auf. „An manchen Beiträgen heute zu den 70er und 80er Jahre stört mich, dass ausgeblendet wird, in welcher Zeit sich die Turbulenzen ereignet haben.“ Es sei um die schwierige Befreiung von der bleischweren Sexualmoral der Nachkriegszeit gegangen. Forderungen von Minderheiten, die eine Freigabe von Sex Erwachsener mit Kindern wollten, hätten sich bei den Grünen zudem nie durchgesetzt. „Es gibt keinen Tatort „Grün“.“

Der Missbrauchsbeauftragte des Bundes, Johannes-Wilhelm Rörig, forderte Cohn-Bendit auf, Bedauern zu zeigen. Der Politiker habe der damaligen Pädophilen-Szene viel Futter und Rechtfertigungsgründe gegeben, sagte er dem Magazin „Focus“.