Schon vor mehr als 500 Millionen Jahren haben sich die Fangmethoden etabliert. Damals wie heute galt: in Gewässern, in denen es vor Leben wimmelt, genügt es, mit einem Fächer durchs Wasser zu streichen. Es bleibt genug Essbares hängen.

Pfeilschnell schießt ein Delfin einem Fischschwarm hinterher, während ein Blauwal seinen massigen Körper gemächlich durch das Wasser gleiten lässt und mit dem gigantischen Sieb in seinem Maul Krebse und andere kleine Lebewesen aus dem Wasser filtriert. Seit mehr als 30 Millionen Jahren schlagen sich Meeressäuger mit diesen so unterschiedlichen Verhaltensweisen den Magen voll.

 

Die Methoden selbst sind jedoch sehr viel älter. Jedenfalls schwamm bereits in der Zeit vor 517 bis 521 Millionen Jahren eine Art überdimensionale Garnele durch die Weltmeere des Erdzeitalters Kambrium, die ihre Nahrung ähnlich wie heute Blauwale aus dem Wasser siebte. Das berichten Jakob Vinther von der Universität im englischen Bristol und seine Kollegen im Wissenschaftsmagazin „Nature“.

In dieser Zeit explodierte die Vielfalt des Lebens. In den Jahrmillionen davor hatten Eispanzer große Teile der Erde bedeckt. Nachdem sie geschmolzen waren und das Klima sich kräftig aufgewärmt hatte, tauchten in den Ozeanen beinahe schlagartig alle Tierstämme von Schwämmen, Nesseltieren, Weichtieren und Gliedertieren bis zu den Vorläufern der Wirbeltiere auf, die heute noch auf dem Globus leben. Damals entstand offensichtlich das grundlegende Repertoire des heutigen Tierlebens einschließlich der großen Jäger einer Anomalocarididen genannten Gruppe.

Die Garnelen von damals konnten zwei Meter lang werden

Diese Tiere ähnelten ein wenig den heutigen Garnelen, waren aber bis zu zwei Meter lang. Mit zwei Armen vor dem Maul erbeuteten sie Nahrhaftes mit ähnlich unterschiedlichen Methoden wie ihre modernen Nachfolger. Da gab es Arten mit Stacheln, die Meeresbewohner aufspießten. Andere zerteilten wie heutige Krebse mit großen Scheren weniger bewegliche Beute in kleinere Happen. Bei wieder anderen Arten bildeten die Arme eine Art Kiefer, mit dem sie Nahrhaftes packen konnten.

Die Art Tamisiocaris borealis dagegen hatte sich genau wie die heutigen Blauwale auf die gemächlichste Art der Jagd spezialisiert und filterte ihre Beute mit einem großen Sieb aus dem Wasser. Wie alle Anomalocarididen zerfiel auch diese Art kurz nach dem Tod meist in ihre Einzelteile, und Jakob Vinther und seine Kollegen fanden in den Felsen des Peary-Landes im äußersten Norden Grönlands nur noch die versteinerten Abdrücke der Arme, nicht aber den Rest der Organismen. Daher wissen die Forscher nicht, wie groß die Tiere waren, schätzen aber eine Länge von vielleicht 70 Zentimetern. Ihre zu einem Sieb umgebauten Arme waren jedenfalls mit 27 Zentimetern und damit der Länge des Unterarms eines Menschen recht beeindruckend.

Aus jeder dieser Gliedmaßen an der Front von Tamisiocaris borealis wuchsen mindestens 18 parallele Seitenarme, die ihrerseits wiederum mit noch kleineren Seitenarmen gefiedert waren. So entstand ein feiner Kamm, zwischen dessen langen, schlanken Zähnen gerade einmal ein halber Millimeter Abstand blieb. In diesem Sieb blieb die Beute hängen, die sich die Riesengarnele dann in das dahinter liegende Maul saugte.

Auch andere Tierarten nutzen die Fangmethoden der Garnelen

Ganz ähnlich filtern heute noch Bartenwale kleine Krebse aus dem Wasser. Auch in ihrem Maul hängen fein gefiederte Hornplatten vom Gaumen. Diese Barten bilden ein großes Netz. Nimmt der Wal einen großen Schluck Wasser ins Maul, schließt dieses und presst das Wasser mit seiner Zunge wieder heraus, bleiben kleinere Tiere wie zum Beispiel die wenige Zentimeter langen Krill-Krebse zwischen seinen Barten hängen und müssen nur noch geschluckt werden. Das Gleiche erreichte die Riesengarnele aus dem Kambrium vermutlich, wenn sie mit ihren beiden Armen durch das Wasser kämmte.

Da der Blauwal ungefähr einen Millimeter breite Maschen mit seinen Barten formt und damit Krill fängt, vermuten die Forscher, dass Tamisiocaris borealis vor 520 Millionen Jahren mit dem feineren Kamm mit einem halben Millimeter Abstand zwischen seinen Zähnen etwas kleinere Beute aus dem Wasser der Meere siebte. Damals wie heute aber filtrierten Tiere mit dieser Methode nur dann genug Nahrung aus dem Wasser, wenn dieses vor Leben wimmelte.

Diese Fangmethode hat sich auch bei anderen Arten durchgesetzt: Bei den 400 Millionen Jahre alten Haien hat sich der Walhai entwickelt; bei den deutlich jüngeren Vögeln sind es die Flamingos, die ihre Nahrung aus dem Wasser filtern. Die Evolution erfindet nicht immer etwas Neues.