Am Ende scheitert der Besuch der Außenministerin in Australien, Neuseeland und Fidschi doch noch an der Logistik. Nach Pannen der Maschine der Flugbereitschaft lässt sich das Programm nicht vernünftig organisieren.

Um kurz nach 8.00 Uhr zieht Annalena Baerbock dann doch noch die Reißleine. In der Lobby ihres Hotels in Abu Dhabi wird vom Auswärtigen Amt am Dienstagmorgen die überraschende Entscheidung verkündet: Die seit Langem geplante Pazifik-Reise wird abgebrochen. Zu diesem Zeitpunkt wartet die gesamte Delegation eigentlich schon auf die Abfahrt zum Flughafen. Nach den beiden Pannen-Versuchen der Flugbereitschaft innerhalb von 24 Stunden am Montag sollte es nun - endlich - per Linienflug weiter nach Sydney gehen.

 

Die Entscheidung gegen diesen Plan sei fünf Minuten vor dessen Verkündung getroffen worden, ist später zu hören. Baerbock selbst wählt für eine Stellungnahme den Weg über die früher als Twitter bekannte Online-Plattform X. „Wir haben alles versucht: leider ist es logistisch nicht möglich, meine Indo-Pazifik-Reise ohne den defekten Flieger fortzusetzen. Das ist mehr als ärgerlich.“

Schlaflose Suche nach Anschlussmöglichkeiten

Stundenlang hatte die Protokoll-Abteilung des Auswärtigen Amts zuvor versucht, die Reise doch noch zu retten. Anschlussmöglichkeiten wurden gesucht, erwogen, gefunden und wieder verworfen. Mehr als 50 Mitglieder zählte die Delegation. Da war es extrem schwierig, für alle gleichzeitig Plätze in kommerziellen Flügen zu bekommen.

Am Ende scheitert Baerbocks Pazifik-Reise wohl auch daran, dass einzelne Programmpunkte nicht mehr hätten stattfinden können. Die Reise zur Insel-Republik Fidschi im Südpazifik etwa hätte ohne den Regierungs-Jet für die Gruppe kaum vernünftig organisiert werden können. Ursprünglich war die Grünen-Politikerin zu Besuchen in Australien, Neuseeland und in Fidschi erwartet worden.

Zweite Panne trotz erfolgreichem Testflug

Dabei hatte es für Baerbock am Montagabend zunächst noch positiv für die Reisepläne ausgesehen. Ein Testflug der Bundeswehr-Crew über dem Golf-Emirat Abu Dhabi war erfolgreich verlaufen. Der Fehler an den Landeklappen, der schon am frühen Montagmorgen den geplanten Flug zur australischen Hauptstadt Canberra verhindert hatte, war nicht mehr aufgetreten. Die Luftwaffe versicherte quasi noch beim Abflug, diesmal werde es aber wirklich klappen mit der Reise.

Die Ernüchterung folgt dann schnell nach dem erneuten Start um 1.00 Uhr Ortszeit (23.00 Uhr MESZ). Alle an Bord können spüren, dass die Maschine vom Typ A340-300 nicht wie gewohnt rasch an Höhe und Geschwindigkeit gewinnt. Das gleiche Problem war schon in der Nacht zuvor aufgetreten. Kurze Zeit später verkündet der Flugkapitän die Hiobsbotschaft.

Flugkapitän: Sind gerade am Kreisefliegen

Der erfahrene und ruhig wirkende Mann mit jahrzehntelanger Erfahrung im Cockpit muss über die Bordsprechanlage einräumen: „Wenn Sie auf die Monitore schauen, dann werden Sie auch das gleiche Flugverhalten wie gestern wiedererkennen. Wir sind gerade am Kreisefliegen. Uns ist tatsächlich leider das gleiche Problem, was wir gestern hatten, wieder passiert.“ Er mache das schon ein paar Jahre, sagte der Kapitän. „Aber sowas ist auch in der Geschichte der Flugbereitschaft noch nicht passiert.“

Noch an Bord scheint es dann aber so, als sei Baerbock entschlossen, die Reise auch in einem dritten Anlauf anzugehen. Wenn die Bundeswehr es nicht schaffe, fliege man eben Linie. Die Devise lautete: Die neuerliche Panne des Regierungsfliegers ist zwar peinlich. Doch der politische Schaden, wenn sie ihren Gastgebern absagen und umdrehen würde, wäre um ein Vielfaches größer.

Die Maschine kreist schließlich über Abu Dhabi und lässt erneut zig Tonnen Kerosin ab, um sicher am Ausgangsort landen zu können. Baerbock gab sich in einer ersten Reaktion nach der erneuten Panne zerknirscht: „Manchmal ist es wirklich verflixt.“

Die Bundeswehr zieht nun Konsequenzen. Die zwei Maschinen der Flugbereitschaft vom Typ A340 werden vorzeitig ausgemustert, wie ein Sprecher der Luftwaffe am Dienstag bestätigte. „Wir werden die beiden A340 so schnell wie möglich, das heißt in den kommenden Wochen, vorzeitig außer Dienst stellen“, sagte ein Sprecher demnach. Die beiden Airbus A340 sollten nach bisherigen Plänen im September 2023 und Ende 2024 ausgemustert werden.

Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte am Montagabend am Rande eines Bürgergespräches in Potsdam zur Flugzeugpanne von Baerbock gesagt: „Ich glaube, wir haben eine sehr gute Flugbereitschaft mit sehr guten Geräten, die zur Verfügung stehen, und sie werden auch ordentlich gewartet. Und natürlich kann es mal schiefgehen.“ Er ergänzte: „Das Wichtige ist, dass die Techniker und Technikerinnen alles rechtzeitig erkennen und so war es ja auch hier.“

Schlaflose Protokollmitarbeiter und unlösbare Probleme

In der Nacht suchen Protokoll-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Baerbock schlaflos weiter nach Möglichkeiten, die drei ursprünglichen Reiseziele miteinander zu verknüpfen. Denn so viel war klar: Der Chefin war die Visite im Südpazifik ein Herzensanliegen - und auch wichtig für die Bundesregierung im Zusammenhang mit der künftigen Neujustierung des globalen Verhältnisses zu China.

Ganz zu schweigen vom Signal der Anerkennung, das Baerbock in Australien, Neuseeland und Fidschi für die Unterstützung der Länder für die Verurteilung des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine in den Vereinten Nationen senden wollte. Intensiv hatte Baerbock in den vergangenen eineinhalb Jahren für die gemeinsame Front des Westens und vieler kleiner Länder weltweit gegen Moskau geworben.

„Im Indo-Pazifik haben wir nicht nur enge #Freunde und #Partner. Die Region wird die #Weltordnung des 21. Jahrhunderts entscheidend prägen“, schrieb Baerbock später auf der Plattform X. „Daher ist der inhaltliche und persönliche Austausch so wichtig.“ Eine Woche hatte sich Ministerin eigentlich für die Reise Zeit genommen.

Baerbock wollte Erwartungen nicht enttäuschen

Ein Grund für die großen Anstrengungen, die Reise auch ohne Flugbereitschaft möglich zu machen, waren die großen Erwartungen, die in der Region mit dem Baerbock-Besuch verknüpft waren.

Auf die eigentlich schon an diesem Dienstag in Australien geplante Rückgabe von Kulturgütern aus der Kolonialzeit an das indigene Volk der Kaurna haben viele Ureinwohner jahrelang gewartet. Und in Fidschi habe sich gleich das ganze Kabinett zur Eröffnung der ersten deutschen Botschaft in dem Inselstaat angekündigt, hieß es.

Damit die Verärgerung über die Absage in den Gastländern in Grenzen bleibt, sollten direkt von Abu Dhabi aus enge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Baerbock in Gastgeberländer reisen.

Und wie kam Baerbock ohne Flugbereitschaft nach Deutschland zurück? Sie fuhr mit einem Teil der Delegation ins rund 150 Kilometer entfernte Dubai und flog von dort per Linienmaschine gen Heimat.

Baerbock landete am Dienstagabend schließlich auf dem Hamburger Flughafen, wie ein dpa-Reporter an Bord des Flugzeuges und dpa-Fotografen bestätigten. Aus Delegationskreisen hieß es, Baerbock sei mit dem Auto abgeholt worden, da sie dringende Telefonate zu führen hatte.