Wenn der Papst am Donnerstag nach Berlin kommt, wird er von Zehntausenden Demonstranten erwartet. Sie kritisieren die Moral der Kirche.

Berlin - Zwei Drittel aller Berliner sind konfessionslos - man kann also davon ausgehen, dass der

 

Mehrheit der Großstadtbewohner der Besuch des Papstes am Donnerstag eher gleichgültig

sein wird. Allerdings machen sich in der Hauptstadt Zehntausende Kritiker zum Protest gegen das Kirchenoberhaupt bereit. Für den Besuch von Benedikt XVI. gilt die höchste Sicherheitsstufe. Die Polizei hat die Sperrung des Regierungsviertels vorbereitet und Gullydeckel versiegelt. Rund um die Nuntiatur an der Grenze zwischen Kreuzberg und Neukölln werden Passanten kontrolliert.

Die Protestaktionen beginnen bereits, lange bevor der Gast überhaupt in Berlin landet. Am Mittwochabend machen zwei katholische Priester mit einem Gottesdienst in Kreuzberg den Anfang. Die beiden aus Köln stammenden Geistlichen wurden von der Kirche vor längerer Zeit bereits ihres Amtes enthoben, da sie in einer homosexuellen Partnerschaft zusammenleben. In Berlin wollen sie in der evangelischen Sankt-Thomas-Kirche eine ökumenische Eucharistiefeier zelebrieren.

Der Berliner Erzbischof Rainer Maria Woelki drohte ihnen in einem Brief mit schweren Konsequenzen. "Als Ortsordinarius untersage ich Ihnen ausdrücklich die Feier der Heiligen Eucharistie im Erzbistum Berlin", heißt es in dem Schreiben, wie der Sprecher des Erzbistums nach Medienberichten bestätigte. Eine Zuwiderhandlung sei "ein schwerwiegender Angriff gegen die Einheit der Kirche, da die Eucharistie niemals ohne Gemeinschaft mit dem Papst und dem Bischof gefeiert werden kann". Die Männer müssen mit ihrer Exkommunikation rechnen.

Demonstration zur rede des Papstes

Der Papst selbst wird von alldem kaum etwas mitbekommen. Er landet schließlich erst am Donnerstagvormittag. Dann sollen die Glocken der katholischen Kirchen läuten - und die erste Demonstration von Kritikern am Flughafen Tegel stattfinden. Eine kleine Gruppe mit dem Namen "Der Papst in Berlin What the fuck?" hat für den kompletten Tag "kreative Proteste" sowie "Audienzen von Päpstin Rosa" angekündigt.

Die zentrale, vermutlich ziemlich bunte Demonstration soll um 16 Uhr am Potsdamer Platz starten - also parallel zu der geplanten Rede des Papstes im Bundestag. Die Kundgebung war eigentlich am Brandenburger Tor in Sichtweite des Reichstages geplant. Die Versammlungsbehörde untersagte dies jedoch. Mehr als 20 Bundestagsabgeordnete von SPD, Grünen und Linkspartei werden zu diesem Protestzug erwartet. Zu der Demonstration unter dem Motto "Keine Macht den Dogmen" hat ein Bündnis von 67 Organisationen aufgerufen - darunter auch die Gewerkschaften, der Lesben- und Schwulenverband, Pro Familia und Terre des Femmes.

Der Protest wendet sich gegen die Diskriminierung bestimmter Gruppen durch die Kirche und die "menschenfeindliche Sexualpolitik" des Papstes. Das Bündnis kritisiert, dass die Haltung der Kirche in vielen Ländern eine wirksame HIV-Verhütung verhindere, Menschen in Gewissenskonflikte stürze, sie zu Krankheit verdamme und ihren Tod in Kauf nehme. Kritisiert wird auch, dass die Rechte von Frauen durch das Verbot eines Schwangerschaftsabbruches verletzt würden.

Weitere Demonstration von Missbrauchsopfern

Auch das Thema sexueller Missbrauch soll in der Demonstration eine Rolle spielen: Eine Gruppe will mit Masken einen "Block der Gesichtslosen" bilden, um Menschen zu symbolisieren, die von Priestern oder anderen Vertretern der katholischen Kirche missbraucht wurden. Missbrauchsopfer haben eine eigene Demonstration am Nachmittag angekündigt.

Bischof Woelki bat in einem Hirtenbrief um "Respekt" vor dem Papst. Andererseits werde auch der Protest respektiert. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit hatte unlängst erklärt, er habe größtes Verständnis für die Bekundungen der Kritiker. Bundeskanzlerin Angela Merkel nannte dies "erstaunlich".

Mit dem Tag werden die Proteste allerdings nicht zu Ende gehen. Auch an der Nuntiatur, in der der Papst übernachten wird, wollen sich Gegner unter dem Titel "Eine kleine Nachtmusik - schlaflos in Kreuzberg" zu einer Versammlung treffen. Angekündigt werden Sound und Redebeiträge, Musikinstrumente sind "erbeten". Es könnte also laut werden.