Mit Fahnen und viel Begeisterung: Aus Stuttgart reisen vor allem katholische Migranten zur Sonntagsmesse von Papst Benedikt XVI. nach Freiburg.

Stuttgart - In der Nacht zum Sonntag wird Anna Kawaletzs Wecker schon um 2.30 Uhr klingeln. Die gebürtige Polin wird an diesem Tag dem Papst in Freiburg begegnen. Sie wird nicht etwa in ihre Alltagskleider schlüpfen, sondern ihre gewaschene und gebügelte Krakauer Tracht anziehen, die sie nur an hohen Festtagen aus dem Schrank holt. Und natürlich wird sie sich das Medaillon mit der Mutter Gottes umhängen, ohne das sie ihre Wohnung nie verlässt. "Für uns Polen ist der Papst eine wichtige Person in unserem Leben - egal, ob er Pole, Spanier oder Deutscher ist", sagt die 38 Jahre alte Katholikin, deren Begeisterung für das Oberhaupt der Katholiken beinahe himmlische Höhen erreicht.

 

Anna Kawaletz reist nicht alleine: mit ihr kommen die zehnjährige Tochter Michelle, ihr Mann Peter und weitere 192 polnische Gläubige. Drei Busse hat Kawaletz geordert und Eintrittskarten für 250 polnische Migranten aus der Region Stuttgart abgeholt. Selbst die drei Busfahrer und ihre Familien werden bei der Sonntagsmesse in Freiburg dabei sein. "Eine solche Gelegenheit lässt sich kein Pole entgehen, niemand bleibt im Bus", sagt die 38-Jährige.

Die polnische Migrantin aus Schönaich im Landkreis Böblingen hat die vergangenen Wochen damit verbracht, den Ausflug der Gläubigen vorzubereiten. In ihrer alten Heimat Polen hat sie Fahnen mit dem Wappen Benedikts XVI. bestellt, weil sie gemerkt hat, dass derlei Devotionalien in Deutschland gar nicht zu bekommen sind.

Die polnischen Besucher wollen wahrgenommen werden

Sie hat Bänder und Hüllen für die Eintrittskarten besorgt, hat Namenslisten geführt und ein kleines Büchlein zusammengestellt, in dem sich all die polnischen Kirchenlieder finden, die der alte Papst Johannes Paul so geliebt habe. "Wir werden alle Lieder auf Polnisch singen, im Bus und in unserer Sektion auf dem Flughafengelände in Freiburg", erzählt Anna Kawaletz, die am Ende viele Landsleute enttäuschen musste: "Ich hätte noch mal zwei Busse vollbekommen, aber irgendwann war die Anmeldung abgeschlossen."

Anna Kawaletz möchte, dass der Papst die polnischen Besucher aus der Diözese Rottenburg-Stuttgart wahrnimmt, wenn er auf dem Flughafengelände mit seinem Papamobil wie geplant an ihrem Block vorbeifährt. Deshalb hat sie alle Mitreisenden mit polnischen und päpstlichen Fahnen ausgestattet und dafür gesorgt, dass es ein großes weiß-rotes Transparent gibt, auf dem zu lesen ist: polnische katholische Gemeinde Stuttgart-Böblingen. "Ich möchte unsere Leute von ihrer besten Seite präsentieren, alle müssen spüren, dass unser Glaube ehrlich ist."

Das Stuttgarter Stadtdekanat hat in den vergangenen Wochen die Karten für die Polen, aber auch für andere Gruppen aus Stuttgart und der Region bei der Erzdiözese Freiburg geordert. Die polnische Gemeinde ist die mit Abstand größte Gruppe, gefolgt von der philippinischen Gemeinde, die immerhin 97 Papstfans zusammengebracht hat.

"Priester und Papst sind für mich die höchsten Autoritäten"

Am Sonntag in aller Frühe werden sich außerdem zehn Mitglieder der französischen Gemeinde in Heumaden auf den Weg nach Freiburg machen. "Zu unserer Überraschung hat sich keine größere Gruppe aus einer deutschsprachigen Gemeinde bei uns gemeldet", erzählt die Dekanatsreferentin Barbara Strifler. Gemeldet freilich hätten sich einzelne Gläubige, die sich die Karten selbst im Internet bestellt hätten und mit dem Auto oder dem Sonderzug anreisen, den die Deutsche Bahn einsetzt. Der startet am Sonntag um 3.22 Uhr, Ankunft in Freiburg ist um 5.50 Uhr.

Immerhin drei Busse mit 150 Katholiken hat das Stadtdekanat Esslingen-Nürtingen zusammenbekommen, das gemeinsam mit der Pilgerstelle der Malteser für die Reise zu Benedikt XVI. geworben hat. Auch Dekanatsreferent Oliver Schütz wird um 4.15 Uhr in Esslingen in den Bus steigen, der ihn zum Papst bringt. "Ich reise nicht wegen dem Papst mit, sondern weil ich das Gemeinschaftserlebnis schätze." Schon als Jugendlicher hat Schütz mit Begeisterung Katholikentage besucht und später auch selbst organisiert. "Es ist ein tolles Erlebnis mit so vielen unterschiedlichen Menschen eine Messe zu feiern."

Ganz anders ist die Motivation bei Pater Robert-Gérard Lawson von der französischen Gemeinde in Stuttgart. "Wir gehören zu einer großen Familie. Für uns ist der Papst wie ein guter Familienchef auf Erden." Und wie steht es um Kritik am Heiligen Vater? Pater Lawson verneint: "In meiner Gemeinde habe ich noch kein kritisches Wort über den Papst gehört." Auch Anna Kawaletz von der polnischen Gemeinde kommt gar nicht auf den Gedanken, das Kircheoberhaupt zu kritisieren. "Ohne meinen Glauben kann ich nicht leben. Ich bin so erzogen, Priester und Papst sind für mich die höchsten Autoritäten."