Der stellvertretende Landrat von Esslingen, Matthias Berg, kommentiert für das ZDF die Paralympics im russischen Sotschi. Der 52-Jährige Medaillenträger möchte dabei auch die politische Lage zur Sprache bringen.

Sotschi - Der stellvertretende Landrat von Esslingen, Matthias Berg, ist seit seiner Geburt contergangeschädigt und hat gleich mehrere Karrieren auf einmal verfolgt: als Jurist, als Horn-Solist und als Sportler in Leichtathletik und alpinem Skilauf. Von 1980 bis 1994 gewann er bei diversen Weltmeisterschaften und den Paralympics insgesamt 27 Medaillen, davon elf goldene. Der 52-Jährige kommentiert auch die diesjährigen Winterspiele in Sotschi für das ZDF-Fernsehen.

 
Herr Berg, Sie sind seit Dienstag in Sotschi. Was sind Ihre ersten Eindrücke?
Es ist richtig warm hier. Tagsüber haben wir an die 20 Grad. Das sind natürlich keine guten Voraussetzungen für Winterspiele. Da wurde vermutlich der halbe Kaukasus leer geräumt, um den Schnee hierher zu bringen. Es ist schwer, auf solchen Skipisten zu fahren. Glücklicherweise kennt beispielsweise unsere Gold-Hoffnung Anna Schaffelhuber die Piste schon vom Weltcup im vergangenen Jahr. Und sie hat sehr starke Nerven.
Sind die Athleten zufrieden mit den Hotels und Wettkampfstätten in Sachen Barrierefreiheit?
Für hiesige Verhältnisse sind die Bedingungen hier den übrigen Städten in Russland sicher um Welten voraus. Dort kann man mit dem Rollstuhl meist nicht einmal U-Bahn fahren. Ich hoffe, dass Sotschi auch als Vorbild dienen wird, damit das Land behindertengerechter wird.
Viele schauen derzeit nach Russland, aber aus anderen Gründen. Wie stark belastet die angespannte politische Lage die Paralympics?
Keine Frage, sie wirft einen Schatten auf die Spiele. Es ist eine schwierige Situation, wenn die Eröffnungsveranstaltung die Werte Völkerverständigung, Frieden und Freundschaft feiert und ausgerechnet der Ausrichter selbst gerade die Krim besetzt. Das ist ja schon fast zynisch, was da vor sich geht. Putin wird ja bei der Eröffnung im Stadion sein. Ich bin sehr gespannt, wie das abläuft. Aber die Sportler sind hier für den Sport. Die Regierungen Englands und der Niederlande haben ihre Teilnahme abgesagt. Jetzt ist klar, dass auch die Bundesregierung keine Delegation nach Sotschi senden wird, weil sich die Krim-Krise zugespitzt hat. Dafür habe ich Verständnis. Andererseits ist der Innenminister eben auch zuständiger Sportminister und in dieser Funktion gehört er eigentlich an die Seite der Sportler.
Matthias Berg Foto: ZDF
Sie kommentieren die Paralympics für das ZDF, auch die Eröffnungsveranstaltung. Haben Sie sich überlegt, wie Sie sich als Moderator verhalten?
Natürlich denkt man vorher darüber nach. Ich bin mir sicher, dass man zu der Doppelrolle des Gastgebers auch etwas sagen muss. Das kann und darf man nicht ignorieren. Allerdings will ich dann auch eine schnelle Überleitung zum Sport. Denn wir sind wegen der Athleten hier.
Sie haben als Sportler und Sportkommentator insgesamt schon 15 Paralympics mitgemacht. Was hat sich über die Jahre verändert?
Es gab zwei wesentliche Entwicklungen. Erstens hat der Sport einen unglaublich hohen Grad der Professionalisierung erreicht. Und zweitens ist die Präsenz in den Medien sehr gewachsen. Früher hat nur das „Gesundheitsmagazin Praxis“ darüber im Fernsehen berichtet – und zwar 45 Minuten Zusammenfassung zum Abschluss der Spiele. Das war alles. Heute haben wir allein im Internet hundert Stunden Livestream für ARD und ZDF und eine Berichterstattung im regulären Sportprogramm. Das bedeutet, dass die Paralympics auch von den Zuschauern sehr gut angenommen werden.
Was bleibt da noch zu wünschen?
Mein Wunsch wäre, dass die russische Politik das umsetzt, was sie zur Einleitung der Spiele vorführt. Und dass das keine reines Showprogramm ist.