Chinas Staatschef hat bei der Eröffnung des historischen Parteitags eine konsequente Weiterführung seiner ideologischen Politik präsentiert. Diplomatische Zurückhaltung gegenüber dem Westen hält er für unangebracht, dafür stimmt er das Volk auf Herausforderungen ein.

Als Xi Jinping in der Großen Halle des Volkes vor die über 2200 Delegierte trat, eröffnete er den 20. Parteitag mit einer ideologisch durchsetzten Rede. Die zeigte, welchen Kurs der 69-Jährige für die Volksrepublik vorsieht: Der Parteivorsitzende zeichnete das Bild einer selbstbewussten Nation, die vor großen internationalen Herausforderungen steht und die sich für einen drohenden Systemkonflikt mit dem Westen wappnen muss.

 

Xi Jinping lässt manche Probleme aus

In seiner Grundsatzrede ließ Xi Jinping freilich manche Probleme aus. Keine Silbe hatte er übrig für seine Haltung zum russischen Krieg in der Ukraine etwa oder die heimische Immobilienkrise, die rekordhohe Jugendarbeitslosigkeit und das psychologische Leid der Menschen im Lockdown. Grundlegende Schwierigkeiten finden im Weltbild des Xi Jinping offenbar keinen Platz. Ebenso wenig sieht es eine öffentliche Debatte über die eigenen Schwächen vor.

Beim alle fünf Jahre stattfindenden Parteikongress wird Chinas mächtigster Staatschef seit Mao Zedong seine Herrschaft mit einer umstrittenen dritten Amtszeit krönen. Dafür haben die Behörden die chinesische Hauptstadt im Vorfeld des Parteitags in eine regelrechte Festung verwandelt: Die Einreise nach Peking wird bereits seit Monaten nur mehr Chinesen aus Städten gestattet, in denen zuvor sieben Tage keine Coronafälle registriert wurden. Und innerhalb der Hauptstadt wachen mittlerweile an jeder Kreuzung eine Handvoll freiwilliger Helfer mit roten Kappen, die für die nötige „gesellschaftliche Stabilität“ sorgen.

Die „Null-Covid“-Strategie bleibt unverändert

Die wohl für viele dringendste Frage beantwortete Xi gleich zu Beginn seiner Rede: Das Land werde weiter an seiner restriktiven „Null Covid“-Strategie festhalten. Diese präsentierte der Staatschef als „mutige Errungenschaft“, für die China auch „international viel Lob“ erhalten habe. Im Klartext bedeutet dies, dass die Volksrepublik international isoliert bleibt, die rigide Überwachung der Gesellschaft anhält und das Wirtschaftsleben auf absehbare Zeit von regelmäßigen Lockdowns unterbrochen wird. Doch die Ökonomie, das wurde am Sonntag deutlicher denn je, fasst Xi Jinping grundsätzlich anders als seine Vorgänger auf. Seit 2002 betonten die chinesischen Staatschefs während ihrer Kongressreden vor allem die wirtschaftlichen Aufstiegsmöglichkeiten und Wachstumsraten des Landes. Xi Jinping hingegen spricht von „gemeinsamem Wohlstand“ und „moderater Prosperität“. Über allem aber stehen ideologische Loyalität und politische Kontrolle.

International dürfte Aufmerksamkeit erregen, dass Xi von großen Unsicherheiten redet. Die 1,4 Milliarden Chinesen sollen sich demnach „auf den schlimmsten Fall“ vorbereiten und gegen „gefährliche Stürme“ wappnen. Mehr noch: Xi Jinping erwartet „globale Veränderungen, wie sie in einem Jahrhundert nicht gesehen worden sind“. Dass damit der zunehmende Systemkonflikt mit dem Westen unter der Führung der USA gemeint ist, scheint mehr als offensichtlich. Doch dient Xis beständiges Heraufbeschwören einer Krise von außen auch als Rechtfertigung für seine eigene Macht.

In der Taiwanfrage ist der Staatschef unnachgiebig

Vor allem aber zeigt sich Chinas Staatschef bei der Taiwanfrage unnachgiebig. Zwar wolle man eine „friedliche Wiedervereinigung“ erreichen. „Aber wir werden niemals versprechen, auf militärische Gewalt zu verzichten“, sagt Xi. Die deutliche Formulierung zeigt, dass Xi Jinping diplomatische Zurückhaltung gegenüber dem Westen nicht für angebracht hält.

Passend dazu spielen die ausländischen Korrespondenten bei diesem Parteitag erstmals nur eine Statistenrolle: Noch vor fünf Jahren konnten sie auf Delegierte zugehen und Fragen stellen (direkte Antworten waren schon damals unmöglich). Nun muss die Presse erst zwei Tage in Hotelquarantäne, um bei der Eröffnungspressekonferenz am Samstag schlussendlich in einem Raum hinter einer Bildschirmleinwand zu landen. Auf die obere Tribüne der Großen Halle des Volkes wurden am Sonntag nur einzelne ausgewählte Medien gelassen.

Für viele Analysten und Sinologen hat die Deutung der mehr als 70 Seiten langen Rede allerdings erst begonnen. Sie werden die Sätze Xi Jinpings auf ihre linguistischen Feinheiten hin untersuchen, zwischen den Zeilen lesen und mit vorherigen Parteikongressen vergleichen. Dabei werden manchmal auch schlicht Begriffe quantitativ gezählt, um die Stoßrichtung der Politik zu erahnen. Eine Besonderheit ist bereits deutlich: Das Schlagwort „Sicherheit“ nannte Xi über 40 Mal. Eine echte Auseinandersetzung mit der internationalen Kritik hingegen blieb aus.