Partnerschaft Bindungsängste oder wirklich nur Pech in der Liebe?

Wer ständig den Falschen findet, leidet vielleicht an Bindungsängsten. Foto: /Imago/Panthermedia

Wer sich immer nur in unerreichbare Menschen verliebt oder in einer Beziehung nie wirklich zufrieden ist, leidet eventuell unter Bindungsängsten. Doch dagegen kann man etwas tun.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

Stuttgart - An einem Tag ist alles schön und romantisch, er kümmert sich, hört sich verständnisvoll alle Sorgen an, schmiedet Pläne, was man in den nächsten Wochen alles gemeinsam unternehmen könnte. Man wähnt sich schon im Himmel. Und denkt: Das ist er. Der Richtige. Endlich. Doch plötzlich meldet er sich einfach nicht mehr. Auf Nachrichten antwortet er nur kurz angebunden. Man kommt nicht mehr an ihn ran.

 

Manche Männer – aber natürlich auch Frauen – ziehen solche Spielchen über Jahre durch. Sie sind gefangen in einem Teufelskreis: Liebe ich sie? Liebe ich sie nicht? Ein Schritt vor, zwei zurück. Ganz weg sind sie nie, ganz da aber auch nicht. Ihre Partnerinnen lassen sie meistens verzweifelt im Regen stehen. Irgendwie sind sie nie so richtig bereit. Aber den perfekten Zeitpunkt gibt es nicht, ebenso wenig wie den perfekten Partner.

Manche suchen ständig nach dem Richtigen und finden ihn einfach nicht

Psychologen sprechen von Bindungsängsten, wenn jemand Beziehungen immer wieder unter- oder abbricht, sobald sie enger werden. Oder wenn jemand in einer Beziehung lebt, sich aber mehr seinen Hobbys und der Arbeit widmet als seinem Partner. Oder sich in Affären und Liebschaften verstrickt. Wenn jemand immer nur unglücklich verliebt ist – in Partner, die nicht zu haben oder vergeben sind. Sie glauben, sie haben immer „Pech in der Liebe“ oder führen immer nur Beziehungen, in denen „etwas fehlt“. Doch liegt es wirklich daran? Und was ist dieses Etwas?

Es ist der Mut, eine Beziehung wirklich einzugehen. Laut Ursula Nuber (67) stecken dahinter Bindungsängste, die Wurzeln liegen in der Kindheit, wie sie in ihrem Buch „Der Bindungseffekt. Wie frühe Erfahrungen unser Beziehungsglück beeinflussen und wie wir damit umgehen können“ schreibt. „Wir alle haben ein Bindungsmuster, manchmal kann dies wie eine Fessel sein und uns in der Liebe ein Bein stellen“, sagt die Psychologin.

Die Vermeidenden wollen am liebsten ihre Freiheit

So gebe es neben den sicher gebundenen Menschen auch vermeidende und ängstliche Beziehungstypen. Für viele Vermeidende stehe eine Beziehung in Konflikt mit ihrer persönlichen Freiheit. Er hat ständig Angst, jemand komme ihm zu nahe. Die Partner von Vermeidenden sind häufig ängstliche Beziehungstypen. Sie neigen dazu, anhänglich zu sein, weil sie die fehlende Nähe immer mehr einfordern. Das ist oft ein Teufelskreis, aus dem beide nur sehr schwer entkommen können. Je mehr der eine wegläuft, desto mehr klammert der andere.

Studien zeigen, dass häufig der Mann der vermeidende Part ist und die Frau die Ängstliche. Und diese Kombination ist laut Bindungsforschern die zweithäufigste Beziehungsform nach den sicher gebundenen Paaren. Warum? Weil sie sich oft beide das geben, was ihnen selbst fehlt, sagt Psychologin Nuber. Die Ängstliche gibt dem Vermeidenden die emotionale Stabilität, die er braucht, aber selbst nicht spürt. Und der Vermeidende hat diese innere Unabhängigkeit, die die Ängstliche nicht besitzt. Tatsächlich führt so ein Paar laut Ursula Nuber durchaus eine stabile Beziehung – aber eben unglücklich stabil.

Wie sieht unsere Liebeslandkarte aus?

Das muss aber nicht sein. Nuber sagt, wir alle haben eine Art „Liebeslandkarte“, auf der alles aus unserem Leben verzeichnet ist. Nun suchen wir alle uns gerne jemanden aus, bei dem viel mit unserer Landkarte übereinstimmt. „Wir merken uns aber auch immer das Schlechte aus unserem Leben“, gibt Nuber zu bedenken. Und suchen nach dem, was uns vertraut ist – das kann aber oft schädlich für uns sein. Man gerät als immer wieder an den „Falschen“, sagt Nuber.

Es helfe daher, sich seine eigene Beziehungshistorie genauer anzuschauen und sich zu fragen: Ist mir schnell alles zu nah? Brauche ich viel Zeit für mich? Glaube ich, Liebe muss ständig aufregend sein? Oder glaube ich vielleicht, ohne den Partner nicht leben zu können? Fühle ich mich wertlos und einsam alleine? Oft erkenne man selbst seine tieferen Ängste nicht, sagt Nuber. Bindungsängstliche oder Vermeidende erkennen selbst häufig nicht, dass ihre Handlungen wenig mit dem Partner zu tun haben, sondern Selbstschutzmechanismen sind, die man herausgebildet hat. Die Partnerin ist dann zum Beispiel einfach anstrengend, nervt oder klammert.

Ein Blick zurück in die Vergangenheit kann helfen

Um diese Fragen zu beantworten, helfe es, so Psychologin Nuber, in die eigene Kindheit zu blicken und das „Kind-Ich“ genauer anzuschauen: Wie war ich als Kind? Wie war die Beziehung zu meinen Eltern? Hatte ich viele Freunde, und waren es enge Freundschaften? „Das alles zu ergründen“, sagt Nuber, „kann eine spannende und lohnende Reise sein.“

Wenn beide Partner aber nun wissen, welche wunden Punkte der andere aus seiner Kindheit mitschleppt, können sie besser aufeinander eingehen. Noch sinnvoller sei es, gemeinsam konkrete Vereinbarungen zu treffen. „Wie ein Vertrag“, sagt Nuber. So könne man lernen, dem anderen zu vertrauen – die Ängste lösten sich dann bei beiden nach und nach auf. „Zu lernen, sich dem anderen ganz zu zeigen, so wie man wirklich ist, das kann sehr befreiend sein – und stärkt den Zusammenhalt ungemein“, sagt Nuber.

Mehr Selbstbewusstsein verbessert auch die eigene Beziehung

Aber sind unsere Kindheitsmuster wirklich unveränderbar? In der Entwicklungspsychologie und in der Resilienzforschung geht man inzwischen davon aus, dass unsere Persönlichkeit durchaus anpassungsfähig ist – und die Kindheit nicht alles ist. Aktuelle Studien zeigen vor allem: Je besser unser Selbstwertgefühl und je ausgeprägter unsere psychische Stabilität, desto besser sind auch unsere Beziehungen. Die Angst vor Nähe korreliert vor allem mit einem geringen Selbstbewusstsein – doch daran kann man arbeiten.

So kam eine Studie des Instituts für Psychologie der Uni Bern zu dem Ergebnis, dass sich Erfahrungen in Partnerschaften und das Selbstwertgefühl von Menschen gegenseitig beeinflussen: „Das Selbstwertgefühl einer Person trägt zu Erfolg und Misserfolg im Bereich Partnerschaft bei, während positive und negative Erfahrungen in Partnerschaften das Selbstwertgefühl der Person verändern.“

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