Daniel Steiner wünscht sich, dass Leser über den Dialekt zum Wort Gottes kommen – oder umgekehrt.

Straßburg - Was für eine gewaltige Aufgabe, das Buch der Bücher, die Bibel, mit mehr als 35 000 Versen, zu übersetzen. Und das auch noch in eine Sprache, die nicht in verbindlicher Schriftform existiert. Daniel Steiner (67) hat diese Aufgabe dennoch geschultert. Zwölf Jahre hat es gedauert, bis das Werk fertiggestellt war. Nun liegt es, auf 2016 Seiten gedruckt, vor ihm: „D’Biwel uf Elsässisch“. Der evangelische Pastor im Ruhestand hat damit die erste vollständige Bibelübersetzung in den elsässischen Dialekt vorgelegt. Eine Übertragung der vier Evangelien hatte es bereits im 19. Jahrhundert gegeben.

 

Warum er sich der Herausforderung gestellt hat in Zeiten, in denen es so wenige Elsässisch-Sprecher wie nie zuvor gibt? Steiners Erklärung ist simpel: „Es war mir eine Herzenssache. Weil es meine Mutter-und Lieblingssprache ist.“ Zudem sei der Dialekt eine Literatursprache von unwahrscheinlichem Reichtum. Damit das Werk gelingen konnte, arbeitete er eng mit einem anderen Kenner des Dialekts zusammen: mit Raymond Matzen (1922–2014), der einst das Institut für Dialektologie der Straßburger Universität leitete.

Wackerer Mitstreiter: Raymond Matzen

Matzens Beitrag war für Steiner unabdingbar: Denn Dialekt zu sprechen ist das eine, ihn schreiben zu können – und das auf einheitliche, lesbare Weise – etwas anderes. So haben Steiner als Übersetzer und Matzen als sein Korrektiv gemeinsam eine möglichst für viele der mutmaßlich noch 500 000 Dialektsprecher im Elsass zugängliche Fassung erarbeitet. „Er hat mir beigebracht, Elsässisch zu schreiben und eine Grammatik einzuhalten, die dem Deutschen nahe ist.“

Wer als deutscher, zumal aus Süddeutschland stammender Muttersprachler diese Bibel zur Hand nimmt, wird sich leicht zurechtfinden. Auf Anraten von Matzen hat Steiner die Bibel ins Straßburger Elsässisch zu übersetzen. Obwohl er selbst aus Lembach an der Grenze zur Südpfalz stammt – und etwa für gewesen spontan g’wann statt g’sinn sagen würde: „Matzen war der Ansicht, dass dieser Dialekt von mehr Menschen verstanden wird.“ Die ersten Sätze klingen dann folgendermaßen: „Am Anfàng het Gott Himmel un Erd erschàffe. D’Erd isch noch formlos un läär g’sinn. D’Finschternis isch iwwer de Diefe geläje un de Geischt Gottes het iwwerem Wàsser g’schwebt.“

Ökumenisches Werk

Die Vorgeschichte dieser ersten Bibelübersetzung ins Elsässische reicht in die 90er Jahre zurück. Steiner übertrug in einem Lesekreis erste Passagen, schließlich immer häufiger Texte für die Advents- und Passionszeit. Auch früher schon hatte er Bibelpassagen und Fürbitten in seiner Muttersprache in Gottesdienste eingebunden und Lieder im Dialekt singen lassen: „Das war unsere elsässische Viertelstunde.“ Einmal pro Jahr hat er zuletzt während der ökumenischen Woche im Münster im Dialekt gepredigt. „Des gfallt de Lit“, sagt er s. Und jetzt also das Opus Magnum.

Luther, dessen Übersetzung Steiner als maßgebliche Quelle zugrunde gelegt hat, war revolutionär, weil er das Wort Gottes auch für jene, die kein Latein lesen konnten, zugänglich machte. „Vielleicht finden manche über die elsässische Bibel zum Wort Gottes, andere darüber zum Dialekt“, sagt Steiner. Er bezeichnet seine Übersetzung im Übrigen als ökumenisch. Auch das Übersetzerteam genügt diesem Anspruch: Steiner ist Protestant, Matzen Katholik.