Der pensionierte Chefarzt der Klinik Schillerhöhe ist an seine ehemalige Wirkungsstätte zurückgekehrt. Als Patientenfürsprecher setzt er sich seit Dezember für die Kranken ein. Schon als Klinikarzt hat er kein Blatt vor den Mund genommen.

Gerlingen - Für Patienten ein offenes Ohr haben und sie ernst nehmen: Der Mediziner Reinhard Jaki (71) will in der Klinik Schillerhöhe dafür sorgen, dass aus unzufriedenen Patienten zufriedene werden.

 
Herr Jaki, mit welchem Gefühl kehrten Sie nach ihrer Pensionierung im Oktober 2011 in die Klinik Schillerhöhe zurück?
Ich freue mich, dort wieder zu arbeiten. Viele Beschäftigte kenne ich noch von früher. Meine Tätigkeit als Patientenfürsprecher sehe ich als Herausforderung, weil das Ehrenamt etwas Neues in den Kliniken in Baden-Württemberg ist – mit Ausnahme der gesetzlich vorgeschriebenen Fürsprechern in psychiatrischen Kliniken. Ich habe mich schon beim Personal vorgestellt und bin sehr positiv aufgenommen worden.
Seit Dezember sind Sie Patientenfürsprecher. Was sind Ihre Aufgaben?
Ich setze mich für die Rechte der Patienten ein. Ich bin ehrenamtlich, unabhängig und losgelöst von der Klinik tätig und in keine Hierarchie eingebunden. Mir gefällt die Bezeichnung Ombudsmann besser: Ich sehe mich als jemanden, der Patienten zuhört, sie ernst nimmt und bei Beschwerden, Problemen oder Konflikten kurzfristig zwischen ihnen und dem Arzt oder der Klinik vermittelt, um für beide Seiten einen Kompromiss zu finden. Ich spreche entweder die zuständige Person auf die Beschwerde an, oder ich nenne dem Patienten die richtige Anlaufstelle – denn ich gebe keine Rechtsberatung und spreche weder medizinische noch pflegerische Empfehlungen aus. Für die Aufgabe muss man kein Arzt sein, jedoch ist ein medizinischer Hintergrund von Vorteil.
Worin liegt der Unterschied zum Beschwerdemanagement in den Kliniken?
Das Beschwerdemanagement ist bei der Geschäftsführung angesiedelt. Die Mitarbeiter kümmern sich um Beschwerden, sind aber natürlich nicht neutral. Viele Patienten fürchten, dass ihre Beschwerde als Banalität abgebügelt wird, oder sie haben das Gefühl, mit Standardsätzen abgewimmelt zu werden. Der Patientenfürsprecher dagegen ist ein niederschwelliges, unbürokratisches Angebot der Kontaktaufnahme. Ich habe einmal in der Woche Sprechstunde und bin ansonsten rund um die Uhr per E-Mail und telefonisch erreichbar.
Ärzte gelten als Götter in Weiß. Beschweren sich Patienten überhaupt offiziell?
In der Tat ist das Verhältnis zwischen Patient und Arzt nicht auf Augenhöhe. Viele Patienten sind obrigkeitshörig und trauen sich nicht zu widersprechen, obwohl sie vielleicht eine andere Intention haben oder unzufrieden sind. Patienten beschweren sich allenfalls bei der Schwester oder beim Pfleger, die aber kaum Zeit haben, sie schlucken ihren Ärger runter oder lassen ihn zuhause raus. Das ist nicht im Sinne der Klinikleitung. Patientenfürsprecher sind eine Erleichterung für alle Beteiligten und verbessern die Qualität einer Klinik.
Bislang hatten Sie keine Patienten, da Ihr Amt in Gerlingen noch recht unbekannt ist. Worüber werden denn Patienten wohl am meisten klagen?
Die Konflikte, die in einer Klinik auftreten können, sind vielfältig. Das fängt beim Essen an und hört bei Wartezeiten und Operationen auf. Am häufigsten treten sicher Kommunikationsprobleme auf. Der Personalschlüssel in Kliniken ist sehr knapp, und zu wenig Pflegepersonal bedeutet, dass Patienten nicht die Zuwendung bekommen, die sie bräuchten. Wir haben auch viele ausländische Patienten, wo es zu Missverständnissen kommen kann.
Was raten Sie Patienten, die sich schlecht oder falsch medizinisch behandelt fühlen?
Diese Patienten verweise ich an die neutrale Beschwerde- und Schlichtungsstelle der Ärztekammer. Dort schickt man seine Unterlagen ein, die neutral beurteilt werden. Ist man mit dem Ergebnis nicht zufrieden, kann man immer noch prozessieren.
Sie kennen die Klinik Schillerhöhe wie Ihre Westentasche. Haben Sie nicht auch Angst, ehemaligen Kollegen auf die Füße zu treten?
Ich werte es als gewissen Bonus, dass ich viele Beschäftigte noch kenne und mir auch die Strukturen der Klinik bekannt sind. Das ist von Vorteil für meine Arbeit. Außerdem habe ich mich schon in meiner Zeit als Chefarzt relativ unabhängig gefühlt, auf Missstände gezeigt und versucht, etwas zu ändern. Ich bin bekannt dafür, dass ich die Dinge offen anspreche. Durch meine wirtschaftliche Unabhängigkeit habe ich jetzt umso mehr die Möglichkeit, den Finger in die Wunde zu legen. Die Geschäftsführung meint es ernst mit dem Patientenfürsprecher und unterstützt mich bei der Arbeit.
Haben Sie ein Beispiel? Wo legten Sie als Arzt den Finger drauf?
Als ich der Leiter der Intensivstation war, ist es vorgekommen, dass wir mit der zu geringen Zahl an Pflegekräften gar nicht alle 14 Betten betreiben konnten. Also habe mich dafür eingesetzt, dass die Intensivstation zeitweise reduziert wurde und wir in manchen Zeiten nur acht oder zehn Patienten betreut haben. Wenn ihre Nachbehandlung nicht gewährleistet ist, dann muss man sich eben auch mal unbeliebt machen.