Sie ist wieder da: Die amerikanische Sängerin Patti Smith beglückt ihr Publikum in Winterbach. Es war ihr zweiter Auftritt in der Region Stuttgart innerhalb von elf Monaten – nach zuvor 40 Jahren der Abstinenz.

Kultur: Jan Ulrich Welke (juw)

Stuttgart - Vier Jahrzehnte mussten die Menschen warten – und dann das: im vergangenen Sommer gab Patti Smith ihr erstes Konzert in Stuttgart überhaupt, elf Monate später ist sie abermals zu Gast. Diesmal, nach ihrem Auftritt im August des letzten Jahres auf der Freilichtbühne am Killesberg, führte sie ihre Tournee nach Winterbach vor den Toren der Stadt. Eine gute Begründung für die enge Taktung hat sie freilich. Exakt vor vierzig Jahren erschien ihr Debütalbum „Horses“, ein Meilenstein der Rockgeschichte bis heute. Und zur Feier eben dieses Umstands steht nun eine sehr üppig dimensionierte abermalige Tour an.

 

Nach „Horses“ ging es 1975 zunächst Schlag auf Schlag bei der amerikanischen Sängerikone, ein Jahr darauf erschien schon das Album „Radio Ethopia“, zwei weitere Jahre später der nächste bis heute gültige Meilenstein, das Opus „Easter“. Danach kamen ganz schön lange Atempausen, ehe die New Yorkerin 2004 mit „Trampin’“ und vor drei Jahren mit „Banga“, zwei hervorragenden Alben vorlegte und eine verblüffende Renaissance erfuhr. Viel Material also, aus dem man einen fantasievollen und den Ikonenstatus untermauernden Streifzug durch die Dekaden zusammenwürfeln könnte – gerade so, wie es Patti Smith im vergangenen Jahr auf dem Killesberg auch tat.

Historische Aufführungspraxis

Das Konzept für die aktuelle Tournee ist indes ein anderes. Es besteht darin, dass sie und ihre bestens musizierende Band das Album „Horses“ komplett aufführen, Stück für Stück in der Originalreihenfolge. Nach „Free Money“, dem vierten und letzten Stück der A-Seite dieser Scheibe, sagt Patti Smith in Winterbach sogar, dass man die Platte nun umdrehen werde und die B-Seite folge. Was sodann auch geschah. Historische Aufführungspraxis sozusagen. Das mag man als Idee nun originell finden oder aber fad. Für Smith spricht, dass es sich nun wirklich um ein exzeptionell gutes Album handelt, quasi aus einem Guss, das man tatsächlich genau so in seiner historischen Wucht durchhören darf. Dagegen spricht die Performance, die öder- und vorhersehbarerweise bis ins Detail den bisherigen Konzerten dieser Tournee entspricht, deren Verlauf man im Netz nachschmökern kann. Den Scherz mit dem Plattenumdrehen hat sie bei bisher jedem Auftritt dieser Tour gerissen, der (mit Bruce Springsteen) geschriebener Klassiker „Because the Night“ folgt – so auch in Winterbach – allabendlich nach der Pflichtübung des Albumdurchspielens, ebenso wie zum Abschluss die Coverversion des The-Who-Klassikers „My Generation“, seinerzeit übrigens die B-Seite der Singleauskoppelung des Stücks „Gloria“, dem ersten Lied von „Horses“, mit dem der Abend immerhin einen schlüssigen Schluss erfährt.

„Jesus died for somebody’s Sins but not for mine“ singt die „Godmother of Punk“ in dem Song „Gloria“ bekanntlich, und wenn’s auch kein Sündenfall, sondern Labsal war, die Dame abermals live zu erleben, bleibt trotzdem der Eindruck, dass der Abend ein Jahr zuvor der vielschichtigere und stärkere war. Wirklich bemerkenswert allerdings ist das Engagement, das die örtliche Kulturinitiative Rock an den Tag legt. Seit Jahr und Tag lotsen sie – auch dank zahlreicher freiwilliger Helfer – richtig dicke Stars nach Winterbach in ihr gigantisch großes Zelt, in das bei den noch anstehenden Konzerten ein kleiner Ausflug auch in diesem Jahr wieder wärmstens empfohlen sei.