Immer diese schwierige Entscheidung – wohin und wie soll es in den Sommerurlaub gehen?

J-e-d-e-s Jahr dasselbe. Immer wieder diese schwierige Entscheidung – nicht nur, wohin es in den Sommerurlaub gehen soll, sondern auch wie. A = individuell? Oder B = pauschal? Entscheiden wir uns für A und ein Ziel, dann kaufen wir einen Reiseführer, bei B besorgt man sich die rechtlichen Grundlagen, um Reisemängel einklagen zu können.

Sie finden das polemisch? Okay, Sie haben ja recht. Sie sind bestimmt nicht so. Wir auch nicht. Und außerdem ist Pauschalreise nicht gleich Pauschalreise. Man kann auch Studienreisen oder Expeditionen pauschal buchen, da ist ein Reiseführer eine tolle Zusatzinvestition. Die verschärfte Variante ist allerdings der Urlaub in der Ferienanlage, gerne auch Cluburlaub genannt.

Wir entscheiden uns hier und jetzt für die Ferienanlage. Nicht, weil wir ein wenig ängstlich wären, nein, wir wollen nur möglichst viel Kostentransparenz und Budgetkontrolle (klingt super), uns einfach mal um gar nichts kümmern müssen und rundum versorgen lassen. Und wenn was schiefläuft, wollen wir uns beschweren können. Allerdings, regulär buchen – so einfach soll es nun auch wieder nicht sein. Das ist echt nur was für Anfänger. Die Frage ist daher, stürzen wir uns auf den Frühbucherrabatt (dafür ist es leider schon zu spät) oder pokern wir mit einem Last-Minute-Angebot (dafür ist es leider noch zu früh)? Bei Last Minute, sagen die Touristiker, sei der Preisvorteil in der Regel noch etwas größer. Außerdem erspart man sich das zeitaufwendige Pro und Contra eines Reiseziels. Man nimmt, was kommt. Hauptsache Sonne.

Eine Ferienanlage ist eine Ferienanlage ist eine Ferienanlage, egal, ob sie in Portugal oder in der Türkei liegt. Welche Sprache jenseits der Mauern gesprochen wird, interessiert vielleicht ein anderes Mal wieder. Ein paar Einheimische gibt es ja auch in der Anlage, die sprechen jedenfalls Deutsch. Dass man diese Mauern allzu oft verlässt, ist ohnehin nicht vorgesehen, dafür sorgt ein farbiges Armbändchen mit einem Zauberbann: All inclusive! Einige Anlagen sind aber auch schon auf Chipkarten umgestiegen.

All inclusive ist heute überwiegend Standard und meist gleichbedeutend mit Standardisierung. Das macht das Ferienpaket für Veranstalter wie Urlauber kalkulierbar und billig. Familien profitieren ungemein. Die lieben Kleinen quengeln nicht mehr ums fünfte Eis. Sie holen es sich einfach. Ein Pauschalurlaub ist daher nicht automatisch ein schlechterer Urlaub. Nicht, wenn man einige Dinge beachtet. Wenn man bei der vielbeschworenen Transparenz auch einen klaren Kopf behält.

Im Grunde ist auch ein Pauschalurlaub so etwas wie ein Blind Date. Verabschieden wir uns von der Annahme, dass man weiß, was man bekommt. Was wissen wir über die Qualität des Essens, die Freundlichkeit und Aufmerksamkeit des Personals, die Sauberkeit der Zimmer, die Größe des Pools, über Hauptverkehrsstraßen, Baustellen, Discothekenlärm? Denn eins ist klar: Bilder und Text in Katalog und Internet täuschen oft. Im Gegensatz zum individuell Reisenden kann man dann aber nicht einfach weglaufen (höchstens sich beschweren, aber das macht schlechte Laune). Also lassen wir uns besser in einem Reisebüro beraten, dort kennt man die verklausulierte Katalogsprache und im besten Fall auch die Anlage, weiß zudem, für welche Zielgruppe sie geeignet ist. Oder wir schauen im Internet etwa unter www.holidaycheck.de nach, einer Plattform, auf der Urlauber ihre Erfahrungen kommunizieren.

Einmal vor Ort, muss man höllisch aufpassen, dass man auch reinurlaubt, was man bezahlt hat. Damit es dem werten Gast zwischen Frühsport und Bühnenshow nicht langweilig wird, denkt sich das Management oft noch ein paar Extragags aus. Zum Beispiel lässt es gerne zu wenig Liegestühle aufstellen. Dann muss man um sechs Uhr in der Früh mit dem Handtuch auf die Pirsch gehen und eine Pritsche markieren, schließlich ist die ja bezahlt. Das wird nicht einfacher, wenn man in der Nacht vorher erst um zwei Uhr nach zehn Caipis, die dummerweise auch inklusive sind, den Weg ins Bett gefunden hat.

Man kann den Unsinn einfach mitmachen. Oder sich beschweren, aber das macht wie erwähnt schlechte Laune. Oder ganz entspannt bleiben. Ein wenig Frechheit bringt da viel mehr Spaß: Wir räumen den reservierten Liegestuhl einfach frei (man muss das Handtuch ja nicht gleich in den Pool werfen) und behaupten ganz ungeniert: Da war nichts. In vielen Ferienanlagen hat man dafür inzwischen die Rückendeckung des Managements.

Weitere Herausforderung: das Essen, bergeweise. Meist in Büfettform, meist nicht gerade Haute Cuisine, meist eine Rempelei um die Völlerei und immer irgendwo ein Schnitzel mit Pommes. Doch bei zusätzlichen Kilo hört der All-inclusive-Spaß auf, wenn man den Bauch in die Sonne hängen will. Glücklicherweise gehört zum Speck-ran- auch ein Speck-weg-Programm. Das ist ja nun wirklich toll an Ferienanlagen. Man kommt um Beachvolleyball, Aqua-Gymnastik, Tennis und Surfen schon deshalb nicht herum, weil die Animateure so verboten gut aussehen.

Aber dann haben wir etwas ganz Abgefahrenes gemacht: Wir sind ausgebüxt, haben uns die Welt jenseits des Mikrokosmos angeguckt – auf organisierten Ausflügen und auf eigene Faust. Haben außerdem entdeckt, dass die zahlreichen Zwischenmahlzeiten, die es in jeder All-inclusive-Anlage gibt, sehr viel leckerer sind und ungleich entspannter als die Schlacht am großen Büfett. Sind während der allabendlichen Bühnenshow mal gemütlich ins Restaurant mit regionaler Küche gegangen und konnten so feststellen, dass wir in der Türkei sind. Das war wie ein klitzekleiner individueller Aufstand. Pauschalurlaub plus x. Mit einem kleinen Extrabudget. Das ist extrem lässig – und macht richtig Spaß.

Kleine Typologie des Pauschalreisenden

Der Jäger

Mit dem Urinstinkt seiner Vorfahren ausgestattet, jagt und sammelt er Schnäppchenangebote. Dazu hat er stets die Preis-Leistungs-Schere im Gepäck – oder wenigstens im Kopf. Selbstverständlich setzt er ganz klare Standards: Sommer, Sonne, Strand. Wieder zu Hause prahlt er gerne damit, wie geil Geiz ist. Dabei guckt er ein wenig verwirrt, weil er sich nicht mehr erinnern kann, wo genau er den Urlaub verbracht hat.

Der Narziss

Gibt es eine bessere Bühne als eine Ferienanlage? Das ist wie bei "Germany’s next Topmodel": Jeden Tag Schaulaufen und der direkte Vergleich. Waschbrettbauch und geölte Bräune kommen gut neben käsigen Waschbärbäuchen. Ein Muss ist daher Surfen oder Beachvolleyball, danach geht’s zum Bodygrillen an den Strand. Einige erweitern dabei ihren Horizont, indem sie stundenlang aufs Meer starren.

Der Misanthrop

Nichts ist für ihn schwerer zu ertragen als eine Reihe schöner Tage. Deshalb packt er Zollstock und die Frankfurter Tabelle ins Gepäck, eventuell prophylaktisch auch eine oder zwei Kakerlaken. Damit er das Zimmer vermessen und Missstände anklagen kann. Er fühlt sich stets hintergangen, abgezockt und in Gefahr und ist erleichtert, wenn er wieder zu Hause ist und Beschwerdebriefe schreiben kann.

Die Kinderverchecker

Der gemeinsame Familienurlaub ist ihnen mega-wichtig, deshalb fahren sie stets in den Club XY, der bietet nämlich Kinderbetreuung von früh bis spät. Dann können Mutti und Vati ausschlafen, am Strand in Ruhe ihren John le Carré lesen und beim Golfen den Segen eines separaten Kinderabendessens preisen. Dass die lieben Kleinen während der gemeinsamen Familiensekunden richtige Stinkstiefel sind, weil sie lieber mit Papi Sandburgen bauen wollen, finden sie – bei dem Angebot und den Preisen – echt undankbar.

Der Sattesser (Übersollerfüller)

Bezahlt ist bezahlt – auch was man nicht konsumiert. Also ran an die Buletten. Wo es 24 Stunden zu essen gibt, ist man rund um die Uhr hungrig und spült den schalen Geschmack klaglos mit verdünntem Bier, billigem Schnaps und Cuvée aus Überproduktionen runter. Weil dem Sattesser permanent übel ist, wird die Belegung eines Liegestuhls zur ersten Pflicht am frühen Morgen, sonst hält man das niemals durch bis zum abendlichen Spaßprogramm mit Bumsmusik. Hat er am Ende den Eindruck, mehr konsumiert als bezahlt zu haben, war es ein toller Urlaub.