Was ist eigentlich echte Freiheit? Das Chelsea Hotel Ensemble erkundet die Löcher unserer Gesellschaft – vor der Kulisse eines verlassenen Gebäudes. Der vielsagende Titel der Performance: „Ich dachte ich bin frei, aber eigentlich bin ich doch nur leer“.

Die Fassade bröckelt: Hinter den Fensterläden des leerstehenden Gebäudes ist es düster, in den Wohnungen liegt Staub. Im Flur hängt die letzte Notiz der ehemaligen Hausverwaltung, das Datum in der oberen Ecke: 2002. Seit damals ist das Gebäude, das mitten im Baugebiet für den neuen Stuttgarter Bahnhof liegt, unbewohnt. Jetzt wird es zur Kulisse für eine Erkundung der eigenen Leere.

 

Die Performance „Ich dachte ich bin frei, aber eigentlich bin ich doch nur leer“ des Chelsea Hotel Ensembles ist schon ihrem Titel nach eine individuelle Baustellenbegehung. Die Fragen, die das Ensemble zur Premiere am vergangenen Dienstag aufwirft, sind groß: Woher kommen eigentlich die Löcher in uns selbst? Wie prägt die Gesellschaft unsere Vorstellungen von Freiheit, Eigentum, Identität? Und warum fühlt sich am Ende alles doch immer ganz anders an als man sich das ursprünglich vorgestellt hatte?

Die metaphorische Baustelle, durch die sich die Inszenierung an diesem Abend hangelt, ist also um einiges vielschichtiger als das leerstehende Gebäude, vor dem sich das Publikum verteilt. In kurzen Sequenzen blickt das Stück dabei auf die Fehlzündungen einer überhitzten Gesellschaft. Einmal ist es die große Depression nach dem Mental Overload, die eindringlich begutachtet wird. Ein andermal kranken die Figuren sichtbar an der Frage, ob es wahre Freiheit in einem System geben kann, das ständig auf sich selbst bezogen ist. Und dann wieder steht das Mysterium im Raum, ab wann man etwas eigentlich wirklich besitzt.

Diese Auseinandersetzungen sind laut, schrill und kratzen in ihrer Darstellung immer wieder an der Hysterie. Doch während das anderswo schnell einmal zu viel werden kann, findet die Performance hier zielsicher die feine Linie zwischen Komik und Verzweiflung. Das liegt vor allem an einer Inszenierung, die sensibel mit ihren eigenen Extremen umgeht und sich so glaubhaft macht: Wenn eine der Figuren zum Beispiel mit bunten Flügeln auf dem Rücken als eine Art menschliches Glühwürmchen über den Platz tanzt und dabei krumm und schief von der Freiheit singt, schimmert in dieser Darbietung ständig echte Verletzlichkeit durch – als wären wir nicht alle eine einzige Baustelle.

Die materielle Baustelle selbst wird an vielen Stellen zur cleveren Kulisse der inhaltlichen Auseinandersetzung: Mal stören Schreie aus dem Inneren der Zimmer eine musikalische Liebeserklärung auf dem Hof, mal hallen die Stimmen der Darstellenden in einem verzerrten Echo aus den Gängen zurück, mal werden die Fenster in den oberen Stockwerken zu Schaufenstern einer Debatte.

Dennoch bleiben die einzelnen Punkte, auf die das Ensemble blickt, inhaltlich teils etwas unscharf. Die Inszenierung springt zwischen Aspekten, die in ihrer Tiefe oft nur angeschnitten werden und so manchmal Schwierigkeiten haben, zueinander zu finden. „Ich dachte ich bin frei, aber eigentlich bin ich doch nur leer“ schafft Raum für Zweifel und Fragen – weniger für Antworten. Aber vielleicht ist das an diesem Abend auch genug. Denn Baustellen haben ja immer etwas Unfertiges an sich.

Ich dachte ich bin frei, aber eigentlich bin ich doch nur leer. Vom 10. bis 13. August, jeweils um 20 Uhr