Perouse: Flüchtlinge vor 300 Jahren Als niemand die Waldenser haben wollte

Das Freudenfeuer in Perouse erinnert an die Befreiung der Waldenser. Foto: Archiv/privat

Am Samstagabend erinnert im Waldenserort Perouse ein Freudenfeuer zum zwölften Mal an die wechselvolle und von Unterdrückung geprägte Geschichte der Glaubensflüchtlinge.

Es ist ein besonderes Feuer, denn es ist ein Freudenfeuer, wenn an diesem Samstagabend in Perouse die Flammen gen Himmel lodern. Und es ist ein Feuer, das für die Freiheit steht, die Verfolgten und Geknechteten vor 176 Jahren zuteil wurde.

 

In Perouse wird , wie in den italienischen Waldensertälern, das traditionelle Freudenfeuer angezündet. Das geschieht zur Erinnerung an den 17. Februar 1848, damals hat Karl Albert I., der König von Sardinien-Piemont, ein Gnadenpatent erlassen. Damit wurde den italienischen Waldensern die Glaubensfreiheit zugestanden und sie erlangten die bürgerliche Gleichberechtigung.

Zum zwölften mal laden die evangelische Kirchengemeinde und das Partnerschaftskomitee der Stadt Rutesheim zum Freudenfeuer ein. Treffpunkt ist um 18 Uhr in der Waldenserkirche in Perouse. In einem Fackelzug gehen die Teilnehmer hinauf zum Gelände beim Sportheim des SV Perouse.

Mit Punsch, Glühwein, Grillwurst und den „Gofri“, das sind Pfannkuchen, die bei Volksfesten im Piemont und in Perouse auf dem Adventsmarkt angeboten werden, kann man sich stärken. Am Feuerplatz sind die Stände ab 17.30 Uhr geöffnet. Das Freudenfeuer wird gegen 19 Uhr angezündet.

Die Anfänge am Rande von Heimsheim

Perouse wurde 1699 am östlichen Rand der Markung Heimsheim von 242 waldensischen Glaubensflüchtlingen aus dem Piemont gegründet. Ihr Leitspruch war und ist „Lux lucet in tenebris“ - das Licht scheint in der Finsternis, ein Satz aus dem Johannesevangelium. Ihre Siedlung benannten sie nach ihrem Heimatort Pèrouse, dem heutigen Perosa Argentina.

Ihre Nachbarn in Heimsheim waren nicht begeistert, aber Herzog Eberhard Ludwig hatte entschieden, die Glaubensflüchtlinge im Land aufzunehmen. Platz gab es nur am Rande der Schleglerstadt, wo das Wasser rar ist und der Boden schlecht war. Vom größten Schatz einer Kommune, dem Wald, bekamen sie nichts ab, doch das hielt sie nicht davon ab, sich Hütten zu bauen.

Viele alte Familiennamen gibt es bis heute

1839 kauften die Perouser der Stadt Heimsheim die Markungsrechte ab und der Ort wurde selbstständige Gemeinde. Noch heute heißt man in Perouse zum Teil wie vor mehr als 300 Jahren: Baral, Baret, Charrier, Mouris, Servay, Simondet und Vinçon.

Ein Zeichen für die wechselvolle Geschichte der Perouser ist der Henri-Arnaud-Brunnen, welcher zum 200-jährigen Jubiläum des Ortes 1899 eingeweiht wurde. Arnaud war der Anführer der „Glorreichen Rückkehr“ der Waldenser und organisierte die Ansiedlung der Waldenser nach Württemberg, Baden-Durlach und Hessen-Darmstadt. Es entstanden die Kolonien Groß- und Kleinvillar, Schönenberg, Pinache, Serres, Perouse, Neuhengstett, und Nordhausen, Palmbach und Untermuschelbach. 1823 wurden die Waldenser in die Württembergische Evangelische Landeskirche integriert.

Die Waldenser brachten neue Kulturpflanzen aus ihrer Heimat mit. Henri Arnaud baute bereits 1701, als erster in Württemberg, Kartoffeln in seinem Garten an. In langen abenteuerlichen Fußmärschen war der aus Torre Pellice stammende Antoine Seignoret in die alte Heimat zurückgekehrt.

Von dort kehrte er mit einem Geschenk seiner Verwandten zurück. Es war ein Rucksack mit 200 „erdfarbigen Knollen, dergleichen bis dahin niemand in Deutschland kannte, genannt Trifulles oder Potates“. Arnaud verteilte die Ernte an die Waldenserdörfer. Es sollten noch 50 Jahre vergehen, bevor Friedrich der Große die Knollen in Preußen heimisch machte.

Die Waldenser haben auch die für die Seidenraupenzucht unentbehrlichen Maulbeerbäume in Süddeutschland verbreitet. Auch den Luzerne-Klee brachten sie aus ihrer Heimat mit. Die Hülsenfrucht ernährte damals das Vieh wie auch die Menschen.

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