Die Berichterstattung unserer Zeitung über im Innenministerium geschönte Zahlen zur Personalstärke der Polizei löst scharfe Reaktionen bei der Opposition im Landtag aus: „Ist der Polizei nicht würdig!“

Das Innenministerium frisiert offenbar die Zahlen über die Stärke der Polizei in der Landeshauptstadt Stuttgart. In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage des FDP-Landtagsabgeordneten Friedrich Haag listete das Ressort von Thomas Strobl (CDU) Langzeitkranke, Polizistinnen und Polizisten in Mutterschafts- und Erziehungsurlaub, Abkommandierte in der Rubrik „Ist‚ Brutto‘“ auf. So wollte das Ministerium offenkundig vorgaukeln, Stuttgarts Polizei bringe mehr Beamte auf die Straße, als vom Parlament im Haushalt vorgesehen. Die Realität, so die beiden großen Polizeigewerkschaften, sei eine andere: Etwa 100 Besatzungen von Streifenwagen fehlten alleine in der Stadt.

 

Auch die Politik reagiert ungehalten auf den offensichtlichen Versuch, die Realität zu kaschieren. „Innenminister Strobl hat offenbar etwas zu verstecken, indem er die Netto-Zahlen zur Stärke der Polizei in Stuttgart verschweigt. Es kann nicht sein, dass die Polizistinnen und Polizisten im Einsatz die personelle Unterbesetzung des Ressortchefs ausbaden müssen“, sagt der Liberale Haag, der die Anfrage ins Parlament einbrachte. Strobl müsse sicherstellen, dass in der Landeshauptstadt generell und gerade im Hinblick auf Großevents wie die EM 2024 ausreichend Beamtinnen und Beamte einsatzbereit seien. „Unsere Polizei muss bei Ausschreitungen wie der Krawallnacht oder den Eritrea-Vorfällen schnell eingreifen können. Strobls Antwort auf meine Anfrage war leider enttäuschend. Zu viele Fragen wie zur Netto-Personalstärke oder Überstunden bleiben offen. Die Tricksereien des Innenministers müssen ein Ende haben. Strobl muss Antworten liefern, alles andere ist der Polizei Stuttgarts nicht würdig.“

Einstellungsoffensive ist Pflicht, mehr Polizisten sind Kür

SPD-Generalsekretär Sascha Binder bewertet: „Auch wenn der Minister ständig eine andere Geschichte erzählt: Die Einstellungen der vergangenen Jahre dienen lediglich dazu, den bestehenden Personalbestand der Polizei zu erhalten. Thomas Strobl hat lediglich seine Pflicht getan und sollte sich nicht nicht selbst ständig für eine Kür feiern, die es gar nicht gibt“, sagt der Innenexperte der Sozialdemokraten.

Der AfD-Fachmann für innere Sicherheit, Hans-Jürgen Goßner, sagt: „Diese Antwort kann ich auf keinen Fall isoliert von den anderen Vorgängen im Innenministerium betrachten: Ob bestellte Beurteilungen wie im Fall des Polizeiinspekteurs Andreas Renner, der kreativen Auslegung der polizeilichen Kriminalstatistik oder der verschleiernden Kosmetik zur ‚größten Einstellungsoffensive der Polizei‘: Tricksereien gehören zum System Strobl.“ Dies werde mit Blick auf die mögliche Zeugenbeeinflussung im Untersuchungsausschuss zum Inspekteur der Polizei durch den Abgeordneten Christian Gehring zu einem „System CDU“. Die Beantwortung der FDP-Anfrage zeige, mit welcher Überheblichkeit die Landesregierung versuche, das Parlament hinters Licht zu führen. „Deutlicher kann man seine Geringschätzung kaum zum Ausdruck bringen.“