Essen ist Zeit- und Geldverschwendung, behauptet ein Jungunternehmer aus San Francisco. Mit seiner Erfindung ginge das in Zukunft bedeutend effizienter.

Stuttgart - Hier geht es in Zukunft um die Zukunft. Das StZ-Hausorakel Peter Glaser befragt einmal die Woche die Kristallkugel nach dem, was morgen oder übermorgen sein wird – und manchmal auch nach der Zukunft von gestern. Dazu als Bonus: der Tweet der Woche!

 

Warum haben sich Ziegelsteine bisher noch nicht als Nahrungsmittel durchgesetzt? Weil ihr Vitamingehalt zu gering ist. Robert Rhinehart scheint eine Möglichkeit gefunden zu haben, wie sich das ändern läßt. Man muß die Ziegelsteine pulverisieren und in Wasser auflösen. Oder man nimmt, wenn gerade keine Ziegelsteine zu Hand sind, pulverisierte Kohlehydrate (die Stärke aus Hafermehl), einen Schwung künstlicher Vitamine, Kalium, Kalzium, Magnesium, Eisen, Mangan, Phosohor, Fettsäuren und Proteine. In Wasser aufgelöst, ergibt das Ganze eine beige, cremige Flüssigkeit.

Die verkauft Rhinehart unter der Markenbezeichnung Soylent, eine ironische Anspielung auf den Science-Fiction-Film Soylent Green aus dem Jahr 1973. In dieser frühen Öko-Dystopie wird eine übervölkerte, denaturierte Welt um die Jahrtausendewende gezeigt, die von einem Lebensmittelkonzern beherrscht wird (Soylent ist ein Kunstwort aus den englischen Bezeichungen für Soja - soy, und Linsen - lent). Am Ende stellt sich heraus, dass eine neue, extrem beliebte Sorte - eben Soylent Green - aus Menschenfleisch hergestellt wird.

Ursprünglich wollte Rhinehart mit zwei Freunden in San Francisco billige Mobilfunkmasten produzieren, aber ihrem Startup ging bald die Luft aus. Jetzt produziert er billiges Nährmaterial und in seiner Vision schwebt immer noch das stofflos Ätherische, wie beim Mobilfunk. Rhinehart träumt von einer Welt jenseits des Essens. „Mit gefällt diese Soylent-Idee für lange Gaming- oder Coding-Sessions“, schreibt ein Fan, schränkt dann allerdings ein: „Ich würde mir aber auch gern ab und zu ein Butter Chicken reintun.“ In europäischen Krankenhäusern kennt man solche hochkalorische Ersatznahrung unter der Bezeichnung Astronautenkost.

Rhinehart hat sich schon mal einen Monat lang nur von Soylent ernährt und zählt die Vorteile auf. Man könne seine Kreativität ganz auf die Arbeit konzentrieren, ohne sich um die lästige Beschaffung und Zubereitung von Essen kümmern zu müssen. Und es sei billiger als traditionelles Essen. Rhinehart ist sich auch sicher, dass sein Sättigungspulver ein Segen für die dritte Welt wäre. Er ist nicht ganz so zynisch wie Esoteriker, die behaupten, man könne sich von Licht ernähren und damit den Hunger auf der Welt in den Griff bekommen. Rhinehart sieht Bill und Melinda Gates, die sich dafür einsetzen, dass mehr Menschen in Entwicklungsländern Zugang zu sauberem Wasser bekommen, gewissermaßen als Vorhut. Wo Wasser ist, kann man auch Pulver reinrühren. „Sich nicht den Kopf über das Essen zerbrechen zu müssen, ist phantastisch“, sagt er.

Der Ernährungspsychologe Christoph Klotter von der Hochschule Fulda findet die Idee absurd. „Das Belohnungszentrum im Gehirn wird im Wesentlichen über das Essen gesteuert. Dieser Mann muss vollkommen geschmacks- und genussfrei sein - oder er holt sich seine Belohnung irgendwie anders.“ Marvin Minsky, einer der Väter der Künstlichen Intelligenz, weiß, dass die Geisteskräfte nicht von der Nahrung allein herausgefordert werden. Das Essen muß ein Geheimnis haben. Als Beispiel führt er an, weshalb Hacker so gern chinesisch essen, nämlich „weil das Essen durchnumeriert ist und sich so kryptisch anhört.”

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Und hier noch wie immer der Tweet der Woche: