Pferdemarkt in Leonberg Selbst Süßigkeiten helfen Cohn nicht
In Leonberg machen die Waldhexen beim Rathaussturm kein langes Federlesen und zerren den Oberbürgermeister vor das strenge Narrengericht der Gesellschaft Engelberg.
In Leonberg machen die Waldhexen beim Rathaussturm kein langes Federlesen und zerren den Oberbürgermeister vor das strenge Narrengericht der Gesellschaft Engelberg.
Mit einem Korb voller Süßigkeiten für die Kinder versucht Oberbürgermeister Martin Georg Cohn noch die Narren zu beschwichtigen, die sich am Sonntag vor dem Alten Rathaus in Leonberg aufgebaut haben, um ihn seines Amtes entheben. Aus einem der Fenster des Gebäudes werden die Naschereien hinunter gelassen.
Doch die süße Bestechung reicht nicht: „Geben wir uns damit zufrieden?“, ruft Werner Busch, der Präsident des 1. Karnevalverein Leonberg, Gesellschaft Engelberg, in die Menge, die sich auf dem Marktplatz versammelt hat. Ein klares „Nein“ ist die Antwort, auch scherzhafte Buh-Rufe sind zu hören.
Und so gehen die Leonberger Waldhexen vor dem hölzernen Tor, das vor dem Eingang steht, in Angriffsstellung. Der OB zeigt anfangs noch siegessicher den Schlüssel der Stadt aus dem Fenster. „Auch wenn ihr euch brüstet, wir sind gut gerüstet“, ruft er in die Menge hinunter. Doch da haben die Waldhexen schon ihren hölzernen Rammbock parat, auf dem sogar eine Hexe sitzt. Und gegen diese Waffe ist kein Kraut gewachsen. Ein kräftiger Hieb, und schon ist das Tor offen.
Kurzerhand fesseln die Eindringlinge Cohn und führen ihn aus dem Rathaus ab. Der unverkleidete OB wehrt sich zwar noch nach Leibeskräften, aber gegen die geballte Kraft der Waldhexen hat er keine Chance. Aus dem Fenster im Obergeschoss des Rathauses reckt eine Hexe siegessicher ihren Besen, die Menge jubelt ihr zu, es regnet Konfetti.
Zahlreiche Menschen haben sich auf dem Marktplatz versammelt, um das Spektakel zu beobachten und die fünfte Jahreszeit zu feiern. Und die lässt die Musik der Leo Valentinos, die gemeinsam mit den VIP-Guggen Stuttgart spielen, ordentlich aufleben mit Liedern wie „Eisgekühlter Bommerlunder“, bei denen die Menge mitschunkelt und singt.
Auch das Wetter spielt den Narren in die Hände. Hatte es beim Aufbau noch geregnet, verziehen sich rechtzeitig zum Rathaussturm noch die Wolken.
Der Leonberger Karnevalverein hat aber nicht nur Musik mitgebracht, sondern auch einige Anklagepunkte: Harald Lutz, der Ehrenpräsident des Vereins, bemängelt etwa die lange Sperrung der Römerstraße, die Leerstände im Leo-Center und die fehlenden Platten auf dem Gehweg der Schlossstraße. „Wird das demnächst repariert oder erst die Stadt für übermorgen generiert?“, ruft er mit Blick auf die „Stadt für morgen“; das Herzensprojekt des OB zur nachhaltigen Stadtentwicklung.
Schlecht steht es auch um die Entbindungsstation am Leonberger Krankenhaus, die womöglich geschlossen wird. Es brauche dringend Kinder, ruft Harald Lutz und erntet mit seiner Frage an den OB, ob er selbst in der Sache aktiv sei, einige Lacher. Seine Aktivität könne nur politisch sein, beteuert Cohn.
Was natürlich nicht in der Anklage fehlen darf: Die chaotische Situation an der Rathausspitze rund um die Erste Bürgermeisterin Josefa Schmid, gegen die Cohn vor einem halben Jahr ein Arbeitsverbot verhängt hat. „Leonberg als schöne Stadt, auch drei Bürgermeister hat, plötzlich sind es nur noch zwei, wie lange bleibt die Stelle frei?“, fragt Harald Lutz den OB. „Ich rede nicht um den heißen Brei, aber die Stelle, die ist noch nicht frei“, erwidert Cohn ähnlich poetisch.
Und für manches Problem haben die Narren eine kreative Lösung parat. Wie wäre es zum Beispiel mit einer Erdwärmepumpe in der Bosch-Baugrube? Und könnte man nicht Geflüchtete im Rathaus unterbringen statt im ehemaligen Seniorenheim am Parksee? Der Oberbürgermeister verweist darauf, dass dies nicht in den Händen der Stadt liegt, sondern vom Böblinger Landratsamt so beschlossen wurde.
Jetzt hat Cohn aber erst einmal nicht mehr die Geschäfte der Stadt in der Hand. Bis Aschermittwoch regieren die Narren im Rathaus. Und der OB würde sie gerne länger dabehalten, schließlich herrsche ja Fachkräftemangel, wie er betont.
Aber auch wenn er in den kommenden Tagen nicht der Herr über das Rathaus ist, wird Martin Georg Cohn wohl nicht langweilig. Denn in Leonberg ist ja nicht nur Fasnet angesagt, sondern auch Pferdemarkt. Einige zieht es deshalb nach dem Rathaussturm nicht zum gemeinsamen Schunkeln zu Guggenmusik mit den Leo Valentinos, sondern in Richtung Reiterstadion.
Dort gibt es viele kleine Hufe zu sehen, denn bei der Pferdeschau und dem Gespannwettbewerb werden Ponys und Kleinpferde fachkundigen Richtern vorgeführt.
Viele Familien bewundern die niedlichen Vierbeiner, manch eines der Tiere ist nicht mal einen Meter groß. Beim Ponyreiten stehen die Kinder Schlange. Zu gerne wollen sie die Welt vom Rücken der Pferde aus betrachten. Der Bürgermeister Klaus Brenner lässt es sich ebenfalls nicht nehmen, einen Blick auf die Tiere zu werfen. Hier geht es zumindest friedlicher zu als bei dem wilden Gefecht mit den Waldhexen im Alten Rathaus.