Der US-Hedgefonds Elliott torpediert die Übernahme von Celesio durch McKesson. Das könnte den Preis in die Höhe treiben. Vor allem die Mitarbeiter sind zunehmend verunsichert.

Stuttgart - More positive lives“ – so lautet der Werbeslogan des Pharmagroßhändlers Celesio. Auf Deutsch heißt das soviel wie „Das Leben positiver gestalten“. Etlichen Mitarbeitern des Stuttgarter Unternehmens kommt der sicher gut gemeinte Spruch angesichts der Entwicklung in der jüngeren Zeit etwas deplatziert vor. Wer nicht weiß, ob und wie es mit seinem Job weitergeht, tut sich nicht so leicht mit dem positiven Denken.

 

Seit der US-Pharmahändler McKesson Ende Oktober bekannt gegeben hat, 75 Prozent der Celesio-Aktien kaufen zu wollen, herrscht vor allem unter den Beschäftigten in der Stuttgarter Zentrale große Verunsicherung. „Viele zentrale Funktionen wie Personal, Buchhaltung oder IT werden unter dem Dach von McKesson nicht mehr gebraucht“, glaubt ein langjähriger Mitarbeiter. In den betroffenen Abteilungen strebten etliche Kollegen entweder in Richtung Vorruhestand oder suchten sich einen anderen Job.

Manche reagierten dagegen mit einer gewissen Erleichterung auf die Übernahmepläne. Immerhin, so war zu hören, seien nun die Spekulationen darüber vorbei, an wen Celesio verkauft werde oder mit wem es eine Kooperation geben werde. Vorstandschefin Marion Helmes hat zudem bekräftigt, dass die Fusion auf Wachstum ausgerichtet sei und eher zur Schaffung neuer Jobs führen werde. Sie verwies auch darauf, dass es zwischen den Unternehmen praktisch keine geografische Überlappung gebe, was per se gegen massiven Stellenabbau spreche.

„Substanziell zu niedrig bewertet“

Doch seit einigen Wochen gibt es einen neuen Unsicherheitsfaktor, der in der Belegschaft für Unruhe sorgt: den US-Investor Paul Singer, der mit seinem Hedgefonds Elliott in großem Stil Celesio-Aktien aufkauft. Seitdem sieht mancher das Unternehmen als Spielball der Investoren, zumal auch andere Hedgefonds auf den Zug aufgesprungen sein dürften. Celesio selbst äußert sich offiziell nicht zu Singers Aktienkäufen. Gemessen an den derzeit im Umlauf befindlichen gut 170 Millionen Aktien, kommt Elliott auf mindestens 25,16 Prozent der Stimmrechte. Berücksichtigt man auch die Celesio-Wandelanleihen, die in gut 33 000 zusätzliche Aktien umgewandelt werden können, verdünnt sich sein Anteil nach Schätzungen von Reuters auf rund 22,7 Prozent. Kommt Singer einschließlich der Anleihen auf 25 Prozent, könnte er die Übernahme von Celesio durch McKesson verhindern. Denn die Amerikaner wollen mindestens 75 Prozent der Anteile einsammeln. Mit einer Dreiviertelmehrheit in der Hauptversammlung könnten sie weitgehende strukturelle Änderungen oder einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag durchsetzen.

Am Dienstag hat Singers Fonds den Druck weiter erhöht und angekündigt, die Offerte von McKesson auszuschlagen. Celesio werde darin „substanziell zu niedrig“ bewertet. „Infolgedessen haben wir nicht vor, das Angebot anzunehmen und unsere Anteile abzugeben“, heißt es in einer Mitteilung von Elliott. Beobachter glauben indes nicht, dass Singer die Übernahme durch McKesson am Ende platzen lässt. „Bei einem Scheitern der Fusion wäre sein Aktienpaket weniger wert“, sagt ein Branchenkenner. Wahrscheinlicher sei, dass McKesson nun sein Kaufangebot nachbessert, um Singer mit ins Boot zu holen, meint denn auch der Analyst eines deutschen Kreditinstituts.

Hängepartie mit negativen Folgen für Celesio

Die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) sieht allerdings keinen großen Spielraum für ein höheres Angebot. Der von McKesson gebotene Kaufpreis von insgesamt 6,1 Milliarden Euro gilt schon als relativ hoch. Die LBBW kommt bei der Bewertung nach der sogenannten Discounted-Cashflow-Methode auf einen Wert von 18,80 Euro pro Celesio-Aktie. Grundlage dieser Schätzung sind die erwarteten künftigen Zahlungsüberschüsse. Die McKesson-Offerte in Höhe von 23 Euro pro Aktie, die bis zum 9. Januar des kommenden Jahres läuft, sei daher aus Verkäufersicht „attraktiv“, schreibt die LBBW-Analystin Barbara Ambrus.

Von einem höheren Angebot würden auch andere Celesio-Aktionäre profitieren, die die Offerte von McKesson ablehnen und ihre Papiere vorerst behalten. Denkbar wäre aber auch, dass sich die Amerikaner mit den 50,01 Prozent zufrieden geben, die der Hauptaktionär Haniel abtreten will. Die Folge wäre wohl ein Kursrutsch. „Wenn McKesson mehr Geld in die Hand nehmen muss, wird zwangsläufig auch der Renditedruck zunehmen“, sagt ein Insider. Die durch die Übernahme erhofften Einsparungen müssten dann schneller erreicht werden. In der Stuttgarter Zentrale gebe sich ohnehin kaum jemand „der Illusion hin, dass der Verkauf an McKesson die hiesigen Jobs langfristig sichert“, berichtet ein Mitarbeiter. Das Europageschäft ließe sich genauso gut von Großbritannien aus steuern. Und der Name Celesio könnte bald Geschichte sein. Die deutsche Großhandelstochter Gehe soll dagegen erhalten bleiben.

Wegen Singers Vorstoß könnte nun aber erstmal eine längere Hängepartie drohen – mit negativen Folgen für Celesio. „Bevor der Deal über die Bühne gegangen ist, kann niemand ein größeres Projekt anpacken“, sagt einer aus der Stuttgarter Zentrale, der mittlerweile einen neuen Job hat. Aus dem Umfeld des Konzerns ist zu hören, dass die Fluktuation weiter hoch sei. Viele Führungskräfte hatten Celesio bereits in der Amtszeit von Helmes’ Vorgänger Markus Pinger verlassen, der wegen seines umstrittenen Führungsstils beim Großaktionär Haniel in Ungnade gefallen war. „Die Leute, die etwas vom Pharmagroßhandel verstehen, sind längst weg“, sagt ein Insider.

Übernahmeziel Celesio

Unternehmen:
Celesio setzt gut 22 Milliarden Euro um und gehört zu den größten Pharmahändlern Europas. Wichtigste Sparte ist der Großhandel, also die Belieferung von Apotheken. Hinzu kommt das Geschäft mit knapp 2200 eigenen Apotheken und rund 4100 Partnerapotheken.

Mitarbeiter:
Celesio hat rund 38 400 (umgerechnet in Vollzeitstellen: 28 500) Mitarbeiter, davon knapp 300 in der Stuttgarter Zentrale. Zudem arbeiten in Stuttgart knapp 300 Menschen bei der Tochter Gehe, die den deutschen Großhandel betreibt.

Probleme:
Wie andere Pharmagroßhändler spürt Celesio den Preiskampf in der Branche und den Sparzwang im Gesundheitswesen. Dazu kamen strategische Fehleinschätzungen. Bereits seit längerem war deshalb über einen Verkauf oder eine weitreichende Kooperation spekuliert worden.

Wechsel:
Der von Beiersdorf geholte Vorstandschef Markus Pinger soll selbst mit potenziellen Interessenten verhandelt haben. Wegen seines umstrittenen Führungsstils wurde er Anfang Juli nach weniger als zwei Jahren abberufen. Seitdem führt Marion Helmes Celesio.